N26 – so geht Digitalisierung (nicht)
Was wir vom enormen Erfolg zweier Wiener lernen können
Vor kurzer Zeit schaffte eine kleine, unscheinbare, von zwei jungen Wienern gegründete Bank den Sprung über den großen Teich: N26 eröffnete seine Präsenz in den USA, wo bereits über 100.000 vorangemeldete User auf die digitale Schalteröffnung warteten.
Klein und unscheinbar stimmt nicht so ganz: Während sich tausende Menschen im Finanzsektor seit Jahren mit den potenziellen Folgen der Digitalisierung beschäftigen, setzten die beiden Gründer auf die normative Kraft des Faktischen und begannen 2013 mit dem Bau einer einfachen „seamless“ Banking Platform, zu der Kunden ohne viel Aufwand Zugang erhalten können.
Kontoeröffnung sonntagnachts vom Bett aus? Kein Problem! Dispoüberprüfung? Geht in Realtime. Schnell Unterkonten anlegen etwa für gemeinsame Projekte mit Freunden? In Sekunden möglich!
Future of Banking
Im traditionellen Bankenbereich wurde und wird N26 bis heute nicht ernstgenommen und als die Bank immer größer wurde (sie zählt heute 3,5 Millionen Kunden und ist das wertvollste deutsche Finanzstartup) konzentrierte man sich mit Schadenfreude auf die Start- und Anlaufprobleme der Macher aus Wien.
Die Kluft zwischen etablierten, traditionellen Unternehmen und den wahren Chancen der Digitalisierung zeigt sich am Beispiel N26 wunderbar. Die Ausgaben für „Trend Research“, „Agile“ und „Innovationsmanagement“ zum Thema Future of Banking stimmen pro Bank wahrscheinlich ziemlich exakt mit den realen Investitionen überein, die N26 brauchte, um die Banking-Alternative zu bauen, von der andere nur reden.
Österreichs größte traditionelle Banken haben mittlerweile ziemlich genauso viele (oder wenige) Kunden wie N26, was bedeutet, dass die Kundenbasis derer, die Customer Experience im Bankenbereich ernstgenommen und Lösungen gebaut haben in nur 6 Jahren ebenso groß geworden ist wie die von etablierten Banken, die das Geschäft seit 50, 100, 200 Jahren „verstehen“.
Kleinreden reicht nicht
Ablehnung, Kleinreden, Verschieben und Innovation in Abteilungen und Projekten zu vergraben – das wird nicht reichen, um im digitalen Wandel zu bestehen. Was immer aus N26 wird – die Lektion lautet nicht, dass es schwer sei, eine wirklich digitale Bank zu bauen (dazu braucht es nur wenige Jahre und eine klare Vision), sondern wie unmöglich es für ein bestehendes System scheint, sich neu zu erfinden. Dies wiederum ist keine gute Nachricht für den Wirtschaftsstandort Österreich und seine etablierten Branchen und Betriebe.