Erfolgreich in der virtuellen Zusammenarbeit
Virtuelle Zusammenarbeit: Traum oder Albtraum?
Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass der Kollege im Chat schreibt „Home Office geht mir auf die Nerven“ oder der andere sagt: „Nicht noch ein Hangout. Ich muss mal wieder arbeiten.“ – Verheißungsvolle Ausnahmen waren es noch vor einem Jahr, ersehnte Zielzustände von vielen aus dem Home Office aus das virtuelle Meeting abzuhalten. Vermeintliche Freiheit wurde gesucht, der digitale Nomadenfreund auf den Balearen arbeitend auf Instagram bewundert.
Die Erfahrung der ersten Monate zeigt jedoch, virtuelles Arbeiten ist nicht unbedingt mehr Freiheit, „leichter“ und lustiger, sondern eher das Gegenteil davon. Wir erkennen, dass vor allem die virtuelle Zusammenarbeit mehr Zeit, Planung, Vorbereitung, teilweise größere Teams und Abstimmungen braucht als „normale“ Meetings und Workshops. Die Erkenntnis: Digitales und gemeinsames Arbeiten sind nicht das Gleiche.
Ein Blick in die menschliche Psyche
Es gibt verschiedene psychologische Erklärungsansätze. Manche besagen, dass der Mensch als soziales Wesen während digitaler Meetings sehr viel mehr Energie aufwenden muss non-verbale soziale Cues (sog. Botschaften) zu entziffern. Das virtuelle „Lesen“ der anderen ist somit viel aufwendiger für unser Gehirn. Andere Psychologen wiederum postulieren, dass die permanente Fixierung auf den Bildschirm bzw. der teilnehmenden Gesichter, eine unnatürliche Fixierung für das menschliche Gehirn darstellt. In traditionellen Interaktionen schaut man sich um, geht ein paar Schritte etc. Um Anwesenheit jedoch virtuell zu zeigen, ist es wichtig diesen permanente Blickkontakt zu halten, um den Eindruck von Ablenkung zu vermeiden. Es ist leider nicht wirklich so. Denn je mehr man sich darum bemüht, desto eher tritt das Gegenteil ein – man wird immer abwesender. Einen Begriff gibt es natürlich auch bereits dafür: Man nennt dies „Zoom Fatigue“ bzw. „Zoom Zombies“ die davon betroffenen Menschen.
Fazit: Virtuelle Workshops absagen?
Nein. Natürlich nicht. Es gibt wissenschaftlich erforschte wie auch in der Praxis erprobte Techniken, die virtuelle Zusammenarbeit effektiv zu unterstützen und erfolgreich zu gestalten. Je mehr wir Struktur bieten und das menschliche Gehirn mit mentalen Pausen oder auch einer Geschichte versorgen, desto wahrscheinlich ist die erfolgreiche virtuelle Zusammenarbeit.
Hier unsere 5 Ratschläge, um ein virtueller Meetingheld zu werden:
- Erhöhen Sie Ihre Planungsgenauigkeit: Die Vorbereitung für einen virtuellen Workshop ist viel umfangreicher. Planen Sie mehr Zeit und auch mehr (interne wie externe) Abstimmungen ein. Zur erfolgreichen Durchführung gestalten Sie ein „Workshop Drehbuch“: Darin sollten Rollen, Verantwortlichkeiten und Abläufe klar beschrieben sein (für Organisatoren aber auch Teilnehmer). Haben Sie einen Back-up Plan im virtuellen Gepäck dabei und machen Sie jedenfalls immer einen Dry Run im jeweiligen technischen System. Die Etablierung von „Online Spielregeln“ für den Workshop ist auch essentiell. Kurz: In einem Online Workshop sollte einfach nichts dem Zufall überlassen werden.
- Wenden Sie das „Weniger ist mehr“ Prinzip an: Aufgrund der hohen mentalen Anstrengung von Online Arbeit, empfehlen wir für Inhalte, Dauer und Anzahl der Übungen: Weniger ist mehr – vor allem für Ihre Teilnehmer. Ganztagesworkshops sollten in kleinere Sessions geteilt werden. Man arbeitet somit öfter, dafür kürzer. Achten Sie auch auf möglichst wenig Medienbrüche. Jeder Medienbruch bietet die Gelegenheit für ein technisches Gebrechen, verlangt aber vor allem von den Teilnehmern Aufmerksamkeit und ist fehleranfällig. Auch häufigere kurze Pausen sind wichtig, sodass sich das Gehirn wieder erholen kann. Versuchen Sie Ihre Inhalte möglichst fokussiert darzustellen – hier wurde aus dem Innovationsbereich der Begriff des „MVP“ aufgefasst. Für einen Online Workshop bedeutet dies „Minimal viable power point“ – also die Essenzversion Ihrer Folien zu finden.
- Designen Sie eine Experience: Schaffen Sie Bezug und versuchen Sie Ihre Zuhörer emotional mitzunehmen: Fragen Sie sich, welche Geschichte Sie eigentlich erzählen möchten. Versuchen Sie bei der Nutzung der Sinne Abwechslung anzubieten: Legen Sie eine Workshop Playlist an und spielen Sie Musik während der Übungen oder binden Sie virtuelle Abstimmungsmöglichkeiten ein. Auch digitale venue maps können helfen auf kreative Art und Weise Teilnehmer einzubinden. Schaffen Sie emotionalen Bezug zu den Fragestellungen, die Sie erarbeiten möchten. Sei dies ein Bild, eine Geschichte oder die Headline in einer Zeitung. Involvieren Sie vor allem in den ersten 10 Minuten emotional Ihre Zuhörer und gewinnen Sie so ihre Aufmerksamkeit für den Rest des Workshops.
- Think outside the Workshop: Nur weil ein virtueller Workshop angesetzt ist, bedeutet es nicht, dass in diesem alles virtuell stattfinden muss. Nutzen Sie daher die Zeit davor– z.B. durch Hausübungen oder Informationsmailings. Dafür kann auch ein „normaler“ postalischer Versand genutzt werden, online und offline können sich dabei gut ergänzen. Eine gute Addition zu einem virtuellen Workshop kann beispielsweise der Versand von Workshop Unterlagen wie Post-its und Materialien sein oder „Hausübungen“, die bei den Teilnehmern sofort Involvement herstellen. Je mehr der Arbeitsort der Teilnehmer als „echter Workshop“ gestaltet ist, desto besser.
- Erfolg braucht gemeinsame Verantwortung: Innerhalb eines Workshops mit vielen Personen ergibt sich (online wie offline) häufig das Phänomen der „Diffusion of responsibility“ – das heißt keiner fühlt sich verantwortlich für das Ergebnis, da „alle“ verantwortlich sind. Dies ist verstärkt durch den virtuellen „Raum“.
Essentiell ist somit klarzustellen, welcher Beitrag von den Teilnehmern erwartet wird. Das Ziel sollte sein, Teilnehmer von einer passiven Zuhörer- in eine aktive Teilnehmerrolle zu bringen. Nur so können relevante Ergebnisse erarbeitet werden. Stellen Sie somit die Ziele der virtuellen Session immer am Anfang dar und klären Sie die gemeinsame Verantwortungsteilung.
Unser Fazit: Hüten Sie sich vor der Idee einen „normalen“ Workshop einfach 1:1 online abhalten. Denn wie bei jeder Planung muss auch hier kanalsensitiv vorgegangen werden. Damit Sie jedoch zum virtuellen Meetinghelden werden, ist vor allem eine Frage wichtig: Wie können wir gemeinsam als Team virtuell erfolgreich sein?
Autor: Christina Perissutti
Customer and Brand Experience Lead
PwC Digital Consulting