Amazon hat in den 2000er Jahren eine Schneise durch Bücher, Musik, Spielzeug, Sport und eine Reihe anderer Einzelhandelsbranchen gezogen. Das war damals schon sehr einschneidend für viele Unternehmen, doch heute gehen die Ambitionen von Amazon weit über den Einzelhandel hinaus. Von Online-Apothekendienst über risikoarme Kredite für Händler bis hin zu Online-Lebensmittelhandel – das Unternehmen wird noch umtriebiger und die Corona-Krise hat ihm zusätzlichen Aufschwung und damit Kaufkraft gegeben.

Das bedeutet – auch wenn sich Jeff Bezos in die zweite Reihe zurückzieht – ist es mehr als wahrscheinlich, dass der Siegeszug von Amazon noch lange nicht beendet ist. Das bekannte US-Datenanalyse-Unternehmen CBInsights zeigt in einer Studie, welche Branchen als nächstes dran sein könnten und die Schachzüge von Amazon genau beobachten sollten: 

5 Branchen, die Amazon in den nächsten 5 Jahren aufmischen wird:

  • Pharma: Apotheken merken den Einfluss von Amazon schon länger, doch auch ins Pharma-Kerngeschäft möchte Amazon vordringen, das sieht man in den USA: Bereits 1999 beteiligte man sich mit 40% an Drugstore.com. Dann wurde es einige Zeit ruhig, doch 2016 erhielt Amazon in den USA seine ersten Lizenzen für den Verkauf von pharmazeutischen Produkten. 2018 erwarb man schließlich die Online-Apotheke Pillpack, welche Apothekenlizenzen in allen 50 US-Bundesstaaten besitzt.
    Anschließend hat die Pandemie die Bestrebungen Amazons zwar etwas erschwert und den Wettbewerb verschärft, doch wir dürfen gespannt sein, was als Nächstes geplant ist.
  • Kredite für Kleinunternehmen: In dieses Geschäft stieg Amazon bereits 2011 ein, als es begann Händler aus dem Amazon Marketplace Kredite anzubieten. Die mögliche Kundenbasis ist groß, denn mit Stand 2019 gibt es 8 Millionen Drittanbieter auf Amazon Marketplace. Diesen bietet das Unternehmen Darlehen oder Kredite in Höhe von bis zu 1 Mio. US-Dollar an – und das mittlerweile in zahlreichen Ländern. Im Gegensatz zu traditionellen Krediten automatisiert man aber den Prozess der Rückzahlung, indem man die Beträge direkt aus den Amazon-Verkaufseinnahmen der Händler nimmt. Das Risiko für Amazon ist auch deshalb geringer, weil es wahnsinnig viele Daten über die Händler besitzt und daher genau weiß, wer kreditwürdig ist und wer nicht. 
  • Fulfillment & Lieferung: Amazon hat in den letzten Jahren stark in seine Logistik- und Lieferkapazitäten investiert und steigert stetig die Geschwindigkeit sowie Effizienz des Versandprozesses. Zusätzlich investiert man auch stark in neue Technologien – von Drohnen bis hin zu autonomen Lieferfahrzeugen – und verringert sukzessive die Abhängigkeit von Drittanbieter. Da ist es naheliegend, dass sich Amazon mit seinen Lösungen bald nach außen wendet, um anderen Unternehmen in seinen Logistikanforderungen zu helfen.
    Diese Ambitionen bringen den Einzelhandelsriesen in direkte Konkurrenz mit seinen Lieferpartnern. Sollte Amazon seine Lösungen in Zukunft auch anderen Unternehmen anbieten, werden auch Supply Chain Startups, Speditionen und natürlich stationäre Einzelhändler die Konkurrenz durch Amazon noch deutlicher zu spüren bekommen. 
  • Online Lebensmittelhandel: Der Online-Verkauf von Lebensmitteln stellt weltweit eine sehr große Chance im Einzelhandel dar. Viele Verbraucher haben in der Pandemie erstmalig derartige Services ausprobiert und zu schätzen gelernt.
    Amazon ist aufgrund seiner ausgedehnten Logistiknetze und seiner Whole-Food-Filialen in einer ausgezeichneten Position, um diesen Trend für sich zu nutzen. Wenn Amazon es schafft, ein für die Kunden besseres Einkaufserlebnis zu schaffen als es die Lebensmittelketten tun, könnte das Unternehmen hier ernsthaft gefährlich werden.
    Und die Zeichen sprechen dafür, denn Amazon investiert massiv in Lösungen, zum Beispiel wurde ein automatisches „Reife-Erkennungssystem“ entwickelt, welches Obst und Gemüse in den Lagerhäusern scannt und dessen Qualität einstuft. 
  • Payments: Der Bereich Payments ist schon lange im Visier des Einzelhandelsriesen, was Produkte wie Amazon Pay, Amazon Visa Debit- und Kreditkarten oder Amazon Go unter Beweis stellen. Das Ziel dahinter ist klar: Wer als Kunde Guthaben auf einem Amazon-eigenen Konto hat, wird letztendlich mehr Geld bei Amazon ausgeben. Außerdem sind Transaktionsgebühren ein lukratives Geschäft für den jeweiligen Anbieter. Wenn es dem Unternehmen also gelingt, ein Zahlungsmittel zu schaffen, von dem die Kunden und anbietende Händler profitieren, könnte die Disruption in der Payment-Industrie gewaltig sein.

In den oben genannten Branchen sind die Ambitionen von Amazon schon sehr deutlich, CBInsights nennt aber zusätzlich noch vier weitere Branchen, die im Visier des Handelsunternehmen sind:

Versicherungen, Luxusmode, Smart Home und Home Improvement. Den ausführlichen Bericht finden Sie übrigens hier 

Zeit für Panik? Noch nicht.

Schließlich ist uns allen der Fakt, dass Amazon innovativ und in vielen Branchen umtriebig ist, mittlerweile durchaus bewusst. Es wird auch voraussichtlich noch etwas dauern, bis sich diese Entwicklungen in Österreich vollends durchschlagen – obwohl einige natürlich bereits spürbar sind.

Unternehmen dieser Branchen tun aber gut daran, die internationalen Schachzüge von Amazon genau im Auge zu behalten. Einerseits kann man sich von Amazon inspirieren lassen, andererseits kann man so besser abschätzen, wie sich die Situation in Österreich entwickeln könnte.

Autor: Birgit Ecker
PwC Digital Consulting