Best Ager – Terra incognita mit enormen Potenzial
„Das Ende“ rückt in immer weitere Ferne
Im Generationenmanagement finden sich unterschiedlichste Begriffe wie Personen im Alter von über 50 Jahren bezeichnet werden (Best Ager, Generation Gold, Gold Ager, Silver Ager, Silver Surfer, etc.). Damit gemeint sind aber weder alte noch gebrechliche Menschen, die zu Hause vor dem Fernseher sitzen, sondern vielmehr Menschen, die etwas erleben wollen und mitten im Leben stehen.
Durch Fortschritte in Medizin, Hygiene, Ernährung und Wohlstandszuwachs ist die Lebenserwartung der Menschen in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Anfang des 20. Jahrhunderts hatten 60-Jährige im Schnitt nur noch 13 bis 14 Jahre zu leben, heute sind es ca. 22 bis 25 Jahre.
44% der Österreicher werden 2030 über 50 Jahre alt sein
Der demografische Wandel ist also kein kurzweiliges, vorübergehendes Phänomen, sondern ein Megatrend, der Österreich und den Rest der Welt auch in Zukunft prägen wird. Wer auf eine Lebenserwartung von 80 Jahren oder mehr blickt, sieht keinen Grund, sich beispielsweise mit 60 schon innerlich vom Leben zu verabschieden. Ganz im Gegenteil, die Einstellung gegenüber dem Alter und auch der Lebensstil älterer Menschen wandelt sich.
Dieser Wandel hat somit auch immense Auswirkungen auf das Konsumverhalten bzw. die Konsumgewohnheiten. Der hohe prozentuale Anteil der Zielgruppe verschafft sowohl politisch als Wähler, aber auch wirtschaftlich als Konsument eine enorme Macht. Aus unternehmerischer Sicht darf diese Macht nicht außer Acht gelassen oder unterschätzt werden bzw. viel wichtiger ist es die Potenziale in dieser Zielgruppe bestmöglich zu nutzen.
Was macht die Zielgruppe so besonders und warum ist sie für Unternehmen so wichtig?
Enorme Kaufkraft
Diese Generation hat meist ein sorgenfreies Arbeitsleben hinter sich oder befindet sich bereits in den letzten Jahren ihres Arbeitslebens und erreicht ein höheres Einkommen und einen besseren sozialen Status als einst deren Eltern. Sie sind anspruchsvoll, konsumfreudig, genussorientiert, wählerisch und qualitätsbewusst, aber auch offen für Neues (auch „Early Adopters“). Sie überlegen vor jedem Kauf, wägen ab bzw. vermeiden spontane und unüberlegte Einkäufe. Um den Autor Hans-Georg Pompe zu zitieren: „Sie schauen dem Ei auf den Stempel und der Wurst in den Darm“. So anspruchsvoll diese Zielgruppe auch ist, hat man sie erst einmal „auf seine Seite gezogen“, ist sie durchaus bereit für bessere Qualität mehr Geld auszugeben. Die enorme Kaufkraft, die hohe Ausgabebereitschaft, aber auch moderne Konsumgewohnheiten machen die Best Ager zu einer lukrativen Zielgruppe.
Große heterogene Zielgruppe
Bei Best Agern spricht man nicht von einer Zielgruppe, die über ihre Gebrechen berichtet, im Park über die junge Generation lästert oder Schach spielt. Vielmehr ist es eine große heterogene Zielgruppe, die sich sowohl durch ihre Lebenssituation und ihre persönlichen Vorlieben (Hobbies, Themen, Interessen), als auch durch ihre unterschiedliche Altersstruktur unterscheidet. Wer beispielsweise heute in Pension geht, ist oftmals so fit und agil, wie noch keine Generation davor. In der Altersforschung unterscheidet man deshalb auch zwischen den „Young oldies“ und „Old oldies“. „Young oldies“ sind sowohl psychisch als auch physiologisch zehn bis fünfzehn Jahre jünger, als es oftmals ihr biologisches Alter zeigt. Menschen zwischen 50 und 70 sehen sich selbst in der Mitte des Lebens, das nun auch in vollen Zügen genossen werden kann. Sie haben noch unglaublich viel vor, richten ihren Blick nach vorne und wollen die besten Jahre genießen.
Markentreue – aber nicht kopflos
Best Ager besuchen gelegentlich auch einen Discounter, um bestimmte Wocheneinkäufe zu tätigen, ansonsten achten sie meistens jedoch weniger auf den Preis als auf die Marke. Aufgrund dessen ist bei den Best Agern die Markenbindung unglaublich stark. Bei Produkten und Dienstleistungen, die überzeugen (z.B. durch hohe Qualität oder außerordentliches Service am POS), bleiben Best Ager treu und vernachlässigen andere / neuartigere Konkurrenzanbieter. Das heißt aber nicht, dass sie dieser Marke grundlos ein Leben lang treu bleiben. Sie haben kein Problem damit, die Marke zu wechseln, sobald diese nicht mehr ihren Anforderungen entspricht. Sie sind durchaus neugierig, wenn Produkte oder Serviceleistungen einen Mehrwert bringen. Aufgrund ihrer finanziellen Sorglosigkeit können sie sich auch schneller bestimmte Innovationen leisten, von denen sie überzeugt sind (z.B. erneuerbare Energien).
WhatsApp ist kein Fremdwort
Entgegen mancher Annahmen nutzt diese Zielgruppe sämtliche digital etablierte Kommunikationskanäle, sowohl für die Informationssuche als auch für Online-Käufe. Das Internetnutzungsverhalten in Österreich ist in allen Altersklassen in den letzten Jahren stetig gestiegen und liegt beispielsweise bei den 50-59 jährigen bei 95% bzw. bei den 60-69 jährigen bei 83%. Der Anteil der Personen, die auch Online-Käufe tätigen liegt in dieser Altersgruppe bei 70% bzw. bei den 60+ jährigen bei 52%. D.h. die optimale Kommunikation mit dieser Zielgruppe findet nicht über den Otto-Versandkatalog, sondern vielmehr über digitale Kanäle statt.
Fazit
Während es für andere Phasen im Leben (z.B. Kindheit, Pubertät, Studium, Berufstätigkeit, etc.) bestimmte Muster gibt, aber auch genügend Literatur zu Verfügung steht, an denen sich Unternehmen bzw. Marketer orientieren können, ist das Leben der Best Ager noch vielfach unerforscht. Wie gesehen werden kann ist diese Zielgruppe alles andere als langweilig oder uninteressant. Aus Unternehmenssicht zeigt sich vielmehr, welchen Einfluss dieses Klientel auf den Markt hat bzw. welche Potenziale genutzt werden können. Hierfür wird ein billiger Marketingtrick nicht ausreichen diesen speziellen Abnehmerkreis richtig zu bedienen. Vielmehr braucht es „Value for Money“, d.h. hochwertige Qualität, Top-Service, freundliche beziehungsorientierte Beratung bzw. Verkäufer und Berater mit hoher Authentizität und Glaubwürdigkeit. Erreicht man dieses Level nachhaltig, so wird diese Zielgruppe auch lange Zeit ein treuer Kunde bleiben.
Quellen:
Statista: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/184967/umfrage/internet-nutzung-in-oesterreich-nach-alter/ bzw.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/299801/umfrage/online-shopper-in-oesterreich-nach-alter/
Frankfurter Allgemeine Zeitung: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/hanks-welt/die-alten-babyboomer-und-die-junge-generation-z-16512771.html
WKO: https://www.wko.at/service/unternehmensfuehrung-finanzierung-foerderungen/Best_Ager_Web.pdf
Autor: Markus Kittenberger
Customer Experience Consultant
PwC Digital Consulting