Die Pandemie beschleunigt den Wandel des Gesundheitssektors

Die Corona-Pandemie kann ohne Zweifel als disruptiver globaler Event verstanden werden, sind ihre Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft doch unübersehbar. Aber was bedeuten die letzten beiden Jahre für den Gesundheits- und pharmazeutischen Biotechsektor?

In rasender Geschwindigkeit haben sich etablierte Prozesse im Sektor verändert, von den Genehmigungsläufen pharmazeutischer Produkte bis zur Bereitstellung elektronischer Gesundheitsdaten auf das Smartphone wurde in Windeseile umgesetzt, was zuvor viele Jahre gedauert hätte.

Wir gehen davon aus, dass im Gesundheitsbereich aber darüber hinaus nur wenige Steine auf den anderen bleiben, hier einige Beispiele:

 

1. Kooperation & neue Prozessstandards

Ein Schlüssel zur erfolgreichen Bekämpfung von Pandemien und anderen Krankheiten ist die enge Zusammenarbeit zwischen Forschung, Industrie und Regulatoren. Hierzu wurden neben beschleunigten Verfahren auch neue Prozesse genehmigt bzw. eingeführt. In Zukunft werden virtuelle Arztbesuche, Telefon- oder Videointerviews von Probanden und Patienten, elektronische Selbstverwaltung etwa zu Nebenwirkungen oder dem täglichen Gesundheitsstatus (mittels Apps und Trackingtools) und Onlinemonitoring den Standard und nicht die Ausnahme in der Medikamenten-Entwicklung darstellen. Dem entsprechend werden die so gesetzten neuen Standards wohl auch in alle anderen Bereiche des Gesundheitssektors vordringen.

 

2. Zukunftsträchtige Technologien

Nach über vier Jahrzehnten der Forschung brachten pharmazeutischen Unternehmen mit der Coronaimpfung den ersten erfolgreichen globalen Anwendungsfall der neuen Technologie auf den Markt. Die mRNA Technologie ist aber auch im Bereich der Krebsbehandlung probeweise im Einsatz und zeigt zumindest erste gute Ergebnisse. Dieser Erfolg beschleunigt nun aber auch den Forschungsansatz, verstärkt Interdependenzen zwischen Proteinen und deren Wirkung im menschlichen Körper zu untersuchen und ebenet damit nicht nur den Weg für personalisierte Therapien sondern bringt die Genforschung generell auf ihr nächstes Level, nachdem es bislang erst fallweise gelungen ist, dedizierte Gene mit spezifischen Fehlfunktionen unmittelbar in Verbindung zu bringen. In Kombination mit beschleunigten (weil modernisierten) Genehmigungsverfahren ist somit auch im Bereich neuer Technologien (zumindest) von einer erhöhten Anzahl an neuen Erkenntnissen auszugehen.

 

3. Intelligente Logistikketten und ein neuer F&E Boom

Das Umdenken im Bereich globaler Logistikketten hat auch direkte Auswirkungen auf den Healthcare und Biotechsektor. Auch wenn eine vollständige Rückholung pharmazeutischer Fertigungsstrassen nach Europa oder in die USA aus heutiger Sicht nicht wahrscheinlich ist, werden Definitionen kritischer Infrastrukturen und Produktionen künftig wohl strenger gesehen als dies in der Vergangenheit der Fall war. Durch die Pandemie ebenfalls beschleunigt wird die Forschung mit Avataren, also der Möglichkeit zur Überprüfung von Hypothesen an virtuellen Patienten mit realen (und teilweise) Echtzeit-Gesundheitsdaten, deren laufende Bereitstellung für die Forschung nunmehr einfacher möglich ist. Beide Aspekte könnten insbesondere im Zusammenhang mit einem Fokus auf den Forschungsbereich und entsprechenden Förderungen zu einem neuen Gründer- und Ansiedelungsboom zukunftsträchtiger pharmazeutischer Spin-offs und Startups in den USA und Europa führen.

Fazit:
Zu den (sehr) wenigen positiven Aspekten der Pandemie zählt unzweifelhaft ein Modernisierungsschub im Biotech- und Gesundheitssektor auf globaler und nationaler Ebene. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche interimistische Prozesse wie etwa die Digitalisierung der Patienten-, bzw. Probandenkommunikation bzw. pharmazeutische Durchbrüche wie die mRNA Technologie zum neuen Industriestandard werden und damit zu einer Vergrößerung des Innovationspotentials und vermehrten Forschungs- und Startupaktivitäten in Europa und den USA beitragen.

 

 Autor: Andreas Hladky
PwC Digital Consulting