KI erobert die Bücherwelt
Künstliche Intelligenz als Analysetool von Manuskripten: Wie wird sich das auf zukünftige Bücher auswirken?
Angefangen bei den täglichen Suchanfragen auf Google, über Werbeanzeigen im Internet, bis hin zu personalisierten Filmvorschlägen von Netflix und Co., Künstliche Intelligenz ist mittlerweile ein fester Bestandteil unseres Alltags. Seit einiger Zeit findet KI nun auch in der Bücherwelt Anklang.
Das Hamburger Unternehmen QualiFiction hat beispielsweise eine Software namens „LiSA“ zur Analyse von Texten und Bewertungen von Bucherfolgen entwickelt. 2020 wurde es auf der Frankfurter Buchmesse dafür zum Content-Start-up des Jahres gewählt. LiSA, die als KI beworben wird, sammelt Daten, wertet dieses aus und gewinnt so wertvolle Erkenntnisse. Laut QualiFiction können Verlage dadurch ihre Produkte gezielter vermarkten, effizienter arbeiten und zusätzliche Kosten sparen. Diese Entwicklung wird allerdings auch kritisch betrachtet. Die Bücher der Datenbank, aus der LiSA lernt, sind ausschließlich bereits veröffentlichte Bücher. Eine Trendanalyse unter Berücksichtigung aktueller Gegebenheiten ist somit nur bedingt möglich.
Wie kreativ kann ein Algorithmus überhaupt sein?
Die Software analysiert bereits Figuren und ihre Beziehungen zueinander, noch bevor ein Mensch das Buch gelesen hat. Die Frage ist daher, ob die KI gut genug ist, diese entsprechend zu interpretieren. In einigen Büchern können Figuren beispielsweise den Körper, das Geschlecht, oder ihre holografische Kleidung wechseln, was den Prozess deutlich schwieriger gestaltet. Gleiches gilt für verschiedene und abwechselnde Erzählperspektiven. Wenn sich diese zu oft verändern wird es für die Software schwierig sie richtig einzuordnen und voneinander zu unterscheiden.
LiSA hilft somit primär verschiedene Manuskripte zu evaluieren und eine entsprechende Vorauswahl zu treffen. Trendanalysen (Stichwort Vampir-Geschichten) und möglicherweise bedeutende inhaltliche Details können jedoch nicht erfasst werden.
„Co-Autor KI“: Kreatives Schreiben und künstliche Intelligenz
Autor:innen von elektronischer Literatur erforschen die experimentelle Seite des kreativen Schreibens. Unter elektronischer Literatur ist eine Literaturgattung gemeint, die exklusiv für Computer geschaffen wird. Es sind also keine E-Books oder E-Journals, sondern Werke, die sich auf Codes stützen. Von 2017 bis 2018 entwickelte beispielsweise der „digitale Lyriker“ David „Jhave“ Johnston ein Projekt namens „ReRites“. Jeden Monat produzierte er mithilfe von KI einen Gedichtband. Dazu wurde ein aus Machine-Learning Bibliotheken adaptierter Netzwerk Code mit zeitgenössischer Literatur „gefüttert“ und anhand von Augmentierung ein KI-Text-Block generiert. Das lyrische Ergebnis resultiert somit aus der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine, wobei künstliche Intelligenz als Ausgangspunkt des kreativen Prozesses dient.
Erzeugung neuer, computergenerierter Texte
Ein weiteres Programm, das menschliche Literatur liest, um neue computergenerierte Texte zu erstellen, nennt sich „The Library of Nonhuman Books“. Hier werden einer „Lesemaschine“ Seiten aus dem jeweiligen Werk präsentiert. Anschließend leitet diese mithilfe künstlicher Intelligenz einen Löschprozess ein, der den Text algorithmisch entfernt. Wie bei einem Haiku wird nach silbenbasierten Bedeutungen gesucht. Auf Basis des resultierenden Textes ruft eine Internetsuche ein Bild auf, mit dem die Seite illustriert wird. Dieser Prozess wiederholt sich dann für jede einzelne Seite des Buches. Am Ende wird so ein „neues“ Buch generiert und der „Library of Nonhuman Books“ hinzugefügt. Genau wie bei „ReRites“ werden hier menschliche und nichtmenschliche Elemente kombiniert. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass der End-Text explizit und gewollt „nichtmenschlich“ ist.
Alles in allem lässt sich somit sagen, dass der Mensch weiterhin unabdingbar bleibt, um ein Werk mit „Sinnhaftigkeit“ zu füllen. KI nimmt vorerst nur eine unterstützende Komponente ein. Sei es, um eine Vorauswahl entsprechender Manuskripte zu treffen, oder um beispielsweise neue abgewandelte Texte zu kreieren. Nichtsdestotrotz bleibt es spannend, was die Zukunft bringt und ob es bald neben KI gezeichneten Kunstwerken auch das erste „selbstgeschriebene“ Buch geben wird.
Autor: Jonas Stahlhut
Quellen:
https://kulturnews.de/lisa-kuenstliche-intelligenz-buecher/
https://www.goethe.de/prj/k40/de/lan/coc.html