Unternehmen bauen „hinterher“

 

ESG, Digitalisierung, neue Wirtschaftsmodelle, Covid, Inflation, politische Instabilität, Talentemangel, Cyber Crime: das tägliche Fahrwasser für Unternehmen wird rauer. Vielen Unternehmen ist es bisher mit viel Aufwand gelungen, die Balance zwischen Marktanforderungen und internen Prozessen einigermaßen erfolgreich zu navigieren, sehr oft, weil Kernprozesse und das Geschäftsmodell in den letzten Jahrzehnten historisch aufgebaut und laufend optimiert wurden. Unsere Wirtschaft ist erfolgreich, weil in der Vergangenheit ein ordentlich robustes Schiff gebaut wurde, um beim Bild zu bleiben.

Doch die Dynamik steigt – alleine beim Thema Digitalisierung ist bereits seit Jahren erkennbar, dass der historische Vorteil verloren geht: Unternehmen sind zu langsam darin, deren Vorteile für sich zu nutzen und konzeptionieren und bauen „hinterher“. Sie kämpfen mit eben jenen eingefahrenen Prozessen, die so lange die Grundlage des Erfolges waren und deren Ablöse alleine deshalb schwer zu argumentieren ist. Und: sie sind historisch unterbesetzt. Vor den größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte stehend kämpfen Verantwortliche für 2 oder 3 Headcounts. Benötigen würde man hunderte.

Regulatorische Anforderungen binden Ressourcen

 

Zu all diesen täglichen Hindernissen kommt nun aber eine Vielzahl an regulatorischen Anforderungen auf die Wirtschaft zu, ob open finance im Bankingbereich, ESG mit individuellen Taxonomien, neue Security Standards oder Reportingrichtlinien für Aufsichtsorgane. Immer mehr Ressourcen werden in die Bewältigung rein regulatorischer Anforderungen fließen und stehen damit immer weniger für die eigentlichen Aufgaben des täglichen, geschweige denn zukunftsorientierten Handelns zu Verfügung. Zurück zur Metapher: Da wir alle schon lange in der Branche arbeiten, drängen wir beiseite, dass wir immer weniger werden, die Werft selbst eine Generalüberholung bräuchte und die Boote neuer Mitbewerber bereits aus stabileren Materialen gebaut sind, über deren Einsatz wir noch diskutieren -und für die unsere Hallen schon länger zu klein gedacht sind.

 

Modernes Leadership und Offenheit für radikale Innovation sind wichtiger denn je

 

Unternehmen müssen diesen Herausforderungen mit mehr Offenheit begegnen – Offenheit für Kooperationsmodelle und Offenheit für eine Neubewertung von In- und Outsourcingmodellen, Offenheit für radikale Innovation und den Einsatz modernster Kollaborations- und Arbeitsmethoden in der täglichen Arbeit und nicht zuletzt Offenheit für eine allmähliche, aber sichere Auflösung von Unternehmenssilos und internen Königreichen. In Zeiten hohen externen Drucks können Unternehmen Raum gewinnen, indem sie gut erläutern, warum sie interne Ineffizienzen beseitigen und sich ohne Rücksichtnahme auf historisch Gewachsenes von zeitraubenden Diskussionen und Projekten verabschieden. In Zeiten wie diesen sehen wir aus der täglichen Praxis, dass Mitarbeiter:innen solche Initiativen eher begrüßen als bekämpfen, nicht alleine, weil die oben beschriebenen Kräfte, Fragestellungen und Problemlagen ihr tägliches Arbeiten immer schwieriger machen. Unternehmen brauchen modernes Leadership nun mehr denn je.

 Autor: Andreas Hladky
Partner, Leitung Digital Consulting