Unternehmerische Entscheidungen müssen im Ökosystem-Kontext betrachtet werden

Konzerne und Startups, Hidden Champions und integrierte Mischkonzerne: In Zukunft werden Business Ökosysteme die Mechanismen im Markt grundsätzlich verändern. Begonnen hat diese Entwicklung bereits vor vielen Jahren: Apple, Uber oder Amazon verdanken ihren Erfolg solchen Ökosystemen, die ohne Plattformen nicht denkbar wären. Doch die Plattform ist nur die eine Seite der Medaille. Nicht minder wichtig und damit erfolgskritisch ist ihre strategische Nutzung durch Partnerschaften, Kooperationen oder Beteiligungen.

Prof. Dr. Julian Kawohl von der HTW Berlin hat sich diesem Ansatz verschrieben. Der Ökosystem Ansatz möchte alle Beteiligten in ein ganzheitliches Netzwerk zusammenzubringen, in dem wir uns gegenseitig ergänzen, neue Geschäftsmodelle entwickeln und innovative Angebote für Kunden schaffen, branchenübergreifend zusammenarbeiten, um letztlich als Teil des Ganzen voneinander zu profitieren. Prof. Kawohl fasst die wesentlichen Komponenten im Business Ecosystem zusammen: Akteure können in einem Ökosystem unabhängig voneinander handeln und unterschiedliche Rollen einnehmen. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Angebote zusammenbringen, um einen Vorteil für alle zu schaffen. Dadurch entsteht ein einziger Mehrwert, der die Summe aller Teile überwiegt. Das ist auch der Grund, weshalb bereits größere Unternehmen wie Apple oder Tesla von vergleichbaren Ansätzen Gebrauch machen. Sie schaffen oder suchen nach einem Ökosystem, in dem verschiedene Akteure aus sich ergänzenden Branchen zusammenkommen, damit aus Konkurrenten Partner werden.

Von B2B und B2C zu E2H

Uns allen ist bewusst, dass sich unsere Arbeitswelt in den letzten Jahren grundlegend und rasant verändert hat. Ganzheitliche und industrieübergreifende Entwicklungen, neue Geschäftsmodelle, Internationalisierung von Märkten und das erweiterte Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Digitalisierung haben uns vor die Wahl gestellt: Entweder wir springen auf den Zug der spannenden Veränderung, oder wir bleiben stehen und verpassen neue Geschäftsmöglichkeiten und Wachstumschancen. Die Sicht der Unternehmen muss sich dabei grundlegend verändern – die Warte einer holistischen Ökosystem-Perspektive ist dabei essenziell. Die reine Sicht auf B2B und B2C müssen erweitert werden, um den E2H Ansatz (Ecosystem to human).

Gemeinsam mit Prof. Kawohl, einem der führenden Experten von E2H, arbeiten wir bei PwC an diesem Ansatz und entwickeln auf dieser Basis künftige Wachstumsszenarien. Lassen Sie uns neue Geschäftsfelder identifizieren, Antworten auf Disruption finden oder Disruption selbst unternehmerisch verfolgen, den Schritt zu neuen, innovativen Produkten/Services wagen und strategische Partnerschaften und Kooperationen strukturiert aufsetzen und gestalten. Nur wie soll das gehen?

„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ (Aristoteles)

Starten wir, indem wir diesen Ansatz verstehen lernen. Prof. Kawohl hat den Ecosystemizer-Ansatz durch rund 1000 wissenschaftliche Interviews, Workshops und Projekte mit Experten aus europäischen Unternehmen aller Branchen erarbeitet. Wir sind davon überzeugt, dass der Ecosystemizer-Ansatz bald bei vielen erfolgreichen Organisationen zu finden sein wird. Er stellt ein ganzheitliches Rahmenwerk für Unternehmen dar, die eigene Ökosysteme entwickeln oder sich bestehenden Ökosystemen anschließen wollen.

Die neue Business-Welt wird auf Plattformen gebaut. Daraus entstehen holistische Ökosysteme – und das gilt für alle Branchen! Ob österreichische Unternehmen auch künftig erfolgreich sind, hängt wesentlich davon ab, ob sie mehrdimensional agieren – in sich ständig wandelnden, branchenübergreifenden Business-Ökosystemen. Eine zunehmende Zahl an Entscheidern muss deshalb eine Antwort im Umgang mit digitalen Plattformen entwickeln – das eigene Ökosystem in diesem Kontext holistisch zu berücksichtigen ist dabei essentiell.

Plattformmodelle eröffnen riesige Chancen – und sind zugleich riskant. Insbesondere klassische Anbieter müssen damit rechnen, dass ihnen disruptive Kräfte die bislang zum Teil immer noch stark sprudelnden Umsatzquellen streitig machen. Nehmen wir ein Beispiel: der Markt der Versorger.

Case Study: Die Zukunft der Energieversorger sind Business-Ökosysteme

Ein wesentlicher Aspekt der E2H-Logik, den Organisationen mit B2B- und B2C-Logiken vernachlässigen, ist die Betrachtung der menschlichen Lebensbereiche (Life Areas). Aus PwC-Sicht fehlt sie bei den meisten klassischen Unternehmen noch. Im Folgenden ist der Life-Area-Ansatz anhand der Ecosystem Strategy Map (ESM) des Ecosystemizer-Ansatzes von Prof. Dr. Julian Kawohl erläutert.

Die zehn Lebensbereiche – zwei davon mit relativ starker Aktivität im beispielhaften Umfeld der Versorger sind Living und Mobility – beschreiben typische Verbraucher:innen vollständig. Sie nutzen bestimmte Produkte und Dienstleistungen selten wahllos und unstrukturiert, sondern in aller Regel bewusst in bestimmten Lebens- und Alltagssituationen.

Die Marktakteure können innerhalb eines Ökosystems in drei Rollen auftreten: Enabler, Realiser und Orchestrator

Die Ecosystem Strategy Map hilft dabei, den Ist-Zustand bezüglich einer Portfolioabdeckung im Ökosystemkontext transparent abzubilden, aber auch bei vielen strategischen Fragestellungen, wie dem Vergleich von Wettbewerbern bzw. möglichen Partnern und der Identifikation neuer Geschäftsfelder oder Business-Modelle.

Die nächste Grafik zeigt eine exemplarische Strategy Map. Die farbigen Flächen markieren das aktuelle Angebotsportfolio eines großen Versorgers.

,Aus dieser ESM lässt sich unter anderem Folgendes ableiten:

  • Der Versorger zielt mit seinem bisherigen Kerngeschäft auf die Lebensbereiche Living (in Realiser-Rolle/B2C) sowie Work (als Enabler/B2B) ab.
  • Als Erweiterung des Kerngeschäfts bietet er zudem im Lebensbereich Mobility Ladeinfrastruktur an (als B2B-Realiser und B2B-Enabler).
  • Er offeriert seinen Kunden weitere B2B-Angebote, beispielsweise Gebäude- und Flottenmanagement-Services und Smart-Grid-Anwendungen.
  • Der Versorger fokussiert sich stark darauf, als Realiser und Enabler zu agieren. Als Orchestrator ist es bislang nur bei einer Handwerker:innen-Plattform aktiv.
  • Zwar gibt es daneben auch Aktivitäten in anderen Bereichen wie Education (Onlinemagazin) oder Socialising (Community), was positiv ist. Allerdings beinhaltet das keine wesentlichen kommerziellen Transaktionen.

Ökosysteme kennen keine Branchengrenzen

Neben der statischen Sicht des Portfolios kann die Strategy Map auch dabei helfen, strategische Stoßrichtungen oder Wachstumsfelder von Unternehmen abzubilden bzw. zu simulieren. Der Vorteil der Darstellung kommt gerade dann zur Geltung, wenn branchenübergreifend Fragestellungen adressiert werden müssen. Die Sichtweise vom Endkonsumenten unterstützt dabei, bei neuen Geschäftsmodellen industrieagnostisch zu denken.

In der abgebildeten Grafik wird das Portfolio eines exemplarischen Automobil-OEMs dargestellt. Lag zunächst der Fokus auf dem reinen Verkauf bzw. dem Service von Fahrzeugen, hat sich in den letzten Jahren das Angebot deutlich weiterentwickelt. Neben neuen Portfolioelementen in Lebensbereichen außerhalb von Mobilität (z.B. Speicherlösungen in „Living“, besondere Unterhaltungsfunktionen in „Entertainment“), haben sich z.B. auch umfassende Angebote im Software-Umfeld entwickelt. Mit Blick auf die Gegenwart und nahe Zukunft bietet sich für Unternehmen nunmehr die Möglichkeit, über plattformbasierte Ansätze als „Orchestrator“ aufzutreten, z.B. als Miteigentümer oder mit einer strategischen Partnerschaft mit dem Kartenbetreiber, oder als Bereitsteller einer Plattform für Anwendungen und Services, bei der auch Drittanbieter ihre Leistungen anbieten können.

Ökosysteme läuten das Zeitalter der „Economy of Collaboration“ ein

Das erfolgreiche Business Ökosystem ist wie das Netzwerk in einer perfekt funktionierenden Stadt, in der alle zusammenarbeiten, um einem gemeinsamen Ziel zu folgen. Die neue Form der Zusammenarbeit im Sinne der „Economy of Collaboration“ steht nämlich nicht im Widerspruch zu unternehmerischem Erfolg und Wachstum – ganz im Gegenteil, sie wird Teil davon und entwickelt sich zu einer Voraussetzung dafür. Auch im Kontext der digitalen Transformation ist das erfolgreiche Agieren in Business Ökosystemen ein essenzieller Baustein – für mehr Wachstum und als Antwort auf drohende Disruption durch andere Akteure.

 

Sie wollen die Potenziale der Ökosystem für Sie nutzbar machen und Wettbewerbsvorteile nutzen? Dann kommen Sie gerne auf uns zu!

Autor: Alexander Rösch

Quellen:
Ecosystemizer/ Prof. Dr. Julian Kawohl

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