The Paradox of Choice – Warum Simplification der Schlüssel zur Optimierung der Customer Experience ist
Überforderung im Einkaufsalltag
Waren Sie schon einmal einkaufen (z.B. Lebensmittel) und im Kaufprozess maßlos überfordert mit der Anzahl an Produktmöglichkeiten? Und wie war das Resultat Ihres Einkaufs und Ihre Zufriedenheit mit dem ausgewählten Produkt bzw. die Zufriedenheit mit dem ganzen Unternehmen?
Unternehmen wollen den Kund:innen so viele Produkte und Dienstleistungen wie möglich zur Verfügung stellen. Das ist zwar gut gemeint, aber möglicherweise falsch gemacht. Die Frage ist nämlich, ob man den Kund:innen wirklich etwas Gutes tut bzw. die Experience verbessert, wenn es von allen möglichen Produktkategorien, wie Nudeln, Duschgel, Käse, etc. unzählige Produktvarianten gibt, die sich kaum voneinander unterscheiden. Auch im Restaurant werden Kund:innen Probleme bei Entscheidungen haben, wenn sie eine Speisekarte vorgelegt bekommen, die dem Volumen einer Novelle ähnelt. Zu viel Auswahl kann zu negativen Auswirkungen im Kaufprozess führen, d.h. Kund:innen sehen viele Optionen als Hindernis bzw. sind durch die Anzahl an Optionen überfordert („Choice Overload“). Choice Overload meint, dass eine gewisse Auswahl zwar gut sein, aber zu viel Auswahl Kund:innen überfordern kann.
Solch eine Überforderungen kann sich durchaus auf die Kaufentscheidung auswirken, u.a. dadurch, dass…
- Die Wahrscheinlichkeit einer Kaufentscheidung sinkt
- Die Kaufentscheidung aufgeschoben wird
- Unzufriedenheit mit dem Produkt besteht
- Die Sicherheit der Entscheidung sinkt
- Kognitive Dissonanz eintritt, d.h. ein Gefühl des Bedauerns bzw. des Zweifels auftritt, eine bessere Option verpasst zu haben
Eine bekannte Studie, die hierfür gerne verwendet wird, um das Thema greifbar zu machen bzw. zu verdeutlichen, ist von Shenna Iyengar und Mark Lepper (2000) bezüglich des Kaufes von Marmeladeproben im Supermarkt.
Bei einem Experiment wurden alle paar Stunden die Auswahl von 24 Marmeladen zu einer Auswahl von sechs Marmeladen gewechselt. Wenn 24 Marmeladen ausgestellt waren, blieben 60 % der Kunden stehen, um eine Probe zu erhalten und 3 % dieser Kunden kauften ein Glas. Wenn sechs Marmeladen ausgestellt waren, blieben nur 40 % stehen, aber 30% dieser Leute kauften Marmelade. Das heißt, viele Optionen führen zwar dazu, dass Kund:innen angelockt werden und sich ggf. mehr Informationen einholen, aber die Auswahl von weniger Optionen veranlasst Kund:innen eher dazu, das Produkt auch tatsächlich zu kaufen.
Diese Erkenntnis ist völlig kontraintuitiv, denn die meisten Menschen würden erwarten, dass bei einer größeren Auswahl an Marmeladen eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass Kund:innen eine Option finden, die Ihnen gefällt. Aber in Wirklichkeit bedeutet mehr Auswahl nur, dass mehr Entscheidungen getroffen werden müssen. Jeder Mensch verfügt nur über eine bestimmte Anzahl kognitiver Ressourcen, d. h. praktisch über das, was das Gehirn zur Verarbeitung von Informationen verwendet. Wenn also eine Aufgabe (z.B. eine Entscheidung zu treffen) eine größere Menge an Ressourcen in Anspruch nimmt, wird dies als anstrengend, stressig und ermüdend empfunden. Unser Gehirn verwendet Heuristiken (d.h. mentale Abkürzungen), um den Entscheidungsaufwand zu minimieren und eine geistige Erschöpfung zu vermeiden. Wenn es also nicht möglich ist, nur eine begrenzte Auswahl zu treffen, verlassen wir uns auf diese Abkürzungen, um bessere Urteile und schnellere Entscheidungen zu treffen. Wenn wir nicht über die kognitiven Ressourcen verfügen, um alle unsere Optionen abzuwägen, kann es passieren, dass wir die Mühe, eine Entscheidung zu treffen, einfach aufgeben.
Weniger ist mehr – Das Zauberwort ist „Simplification“
Beim Verkauf von Produkten, sei es online oder im Geschäft, ist es wichtig, die psychische Belastung der Kunden:innen zu verringern. Es mag im Zeitalter der Personalisierung kontraintuitiv erscheinen, aber um den Umsatz zu maximieren, müssen Optionen begrenzt werden. Zum Beispiel hat Procter & Gamble festgestellt, dass eine Verringerung der Anzahl der Head & Shoulders-Sorten zu einer Umsatzsteigerung von 10 % führte. Des Weiteren muss den Kunden:innen genügend Zeit gegeben werden, um Informationen zu verarbeiten. Produkte sollen auf logische Weise gruppiert und in übergreifende Kategorien gegliedert bzw. organisiert werden. Das Design kann auch bestimmte Heuristiken beinhalten, wie die Verwendung bestimmter Farben, Musik oder Verkaufspreise. Wichtig ist, die Komplexität der Auswahl zu verringern. Wenn sich Produkte ähneln, sollten sie sich voneinander unterscheiden, indem Alleinstellungsmerkmale der jeweiligen Produkte hervorgehoben oder detaillierte Informationen gezeigt werden.
Fazit:
Es kommt häufig vor, dass Marken bzw. Unternehmen deren Bemühungen mit guten Absichten untergraben. Viel Auswahl im Sortiment zu haben wirkt aus Unternehmenssicht vielleicht gut, kann aber aus Sicht der Kund:innen zur Belastungsprobe werden. Es braucht wahrscheinlich einen mutigen Product Owner, um einem Unternehmen vorzuschlagen, das Produktportfolio zu reduzieren. Einige Unternehmen (u.a. Procter & Gamble) zeigen aber, dass es sich auszahlt diesen Weg zu gehen, um durch die Verringerung der Komplexität bzw. der Produktauswahl mehr Aufmerksamkeit, höhere Zufriedenheit der Kund:innen und mehr Umsatz für Unternehmen zu generieren.
Autor: Markus Kittenberger
Quellen:
Iyengar, S. S. & Lepper, M. R. (2000): When Choice is Demotivating: Can One Desire Too Much of a Good Thing? Journal of Personality and Social Psychology.
The Decision Lab (o. J.): Why do we have a harder time choosing when we have more options?: https://thedecisionlab.com/biases/choice-overload-bias
Conti (o. J.). Wissen für Product Owner: Choice Overload. https://contio.de/choice-overload#:~:text=Wenn%2024%20Marmeladen%20ausgestellt%20waren,30%25%20dieser%20Leute%20kauften%20Marmelade.
Crobox (2018): Choice Overload Examples: Exposing Retail’s Biggest Foe: https://blog.crobox.com/article/choice-overload