„Anton Zeilinger ist der vierte österreichische Nobelpreisträger der Physik. Was ist Inhalt seiner Forschung und wie hängt dieser mit dem Trend des Quantencomputings zusammen?

Die Verleihung des Physik Nobelpreises für die Forschung rund um das Thema der Quantenverschränkung hat die Quantenphysik zu einem brandaktuellen Gesprächsthema in der Gesellschaft gemacht. Ein guter Zeitpunkt, um einen Überblick über aktuelle Erkenntnisse, Anwendungsfelder und Herausforderungen zu geben.

Bereits Albert Einstein hat sich mit dem Thema der Quantenverschränkung beschäftigt und diese als die viel zitierte „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet. Der Österreicher Anton Zeilinger wurde nun gemeinsam mit dem US-Amerikaner John F. Clauser und dem Franzosen Alain Aspect für ihre bahnbrechenden Experimente zu verschränkten Quantenzuständen mit dem Nobelpreis der Physik ausgezeichnet. Die Quantenverschränkung beschreibt ein Phänomen, welches sich mit unserer üblichen Weltsicht nur schwer erklären lässt, da die Gesetze der Physik gefühlt außer Kraft gesetzt werden: Bei verschränkten Teilchen haben Zustandsänderungen an einem Teilchen sofortige Auswirkungen auf das andere Teilchen, unabhängig davon, wie weit diese voneinander entfernt sind. Zeilinger experimentiert bereits seit den 90er Jahren mit diesem Phänomen und ist Wegbereiter für neue, auf Quanteninformation basierende Technologien.

Eine dieser Technologien ist Quantencomputing. Im Unterschied zu herkömmlichen Computern, die mithilfe von Bits den binären Zustand 0 und 1 kennen, arbeiten Quantencomputer mit sogenannten Quantenbits, kurz Qubits. Qubits sind komplexer als Bits, denn sie können mehrere Zustände gleichzeitig annehmen, wodurch wesentlich größere Rechenleistungen erbracht werden können.

Erhöht man die Anzahl von Qubits in Quantencomputern, kann demnach die Leistung exponentiell erhöht werden. IBM als einer der Vorreiter auf dem Gebiet des Quantencomputings, hat im November 2021 mit dem IBM Eagle den nach eigenen Angaben stärksten Quantenprozessor der Welt auf den Markt gebracht. IBM behauptet, dass der mit 127 Qubits arbeitende Chip binnen zwei Jahren klassischen Computern überlegen sein wird und somit die von allen „Main“ Playern am Markt angestrebte Quantenüberlegenheit erreichen kann. Das bedeutet, dass Probleme gelöst werden können, die derzeit selbst die schnellsten Supercomputer der Welt überfordern. Bereits 2019 behauptete Google die Quantenüberlegenheit mit dem eigens entwickelten Prozessor Sycamore (53 Qubits) erreicht zu haben, indem Berechnungen in 200 Sekunden durchgeführt werden konnten, wofür Supercomputer mehr als 10.000 Jahre gebraucht hätten. Zwischenzeitlich wurde diese Errungenschaft von chinesischen Wissenschaftlern relativiert, da dieselbe Aufgabe in ähnlicher Zeit mit herkömmlichen Computern gelöst werden konnte. Das Rennen um die Quantenüberlegenheit geht somit ungebremst weiter.

Einhergehend mit der Überlegenheit der Quantencomputer ergeben sich allerdings auch Gefahren in Bezug auf die IT-Sicherheit, da bestehende asymmetrische Verschlüsselungsverfahren mit Hilfe von Quantencomputing entschlüsselt werden könnten. Asymmetrische Verschlüsselungsverfahren basieren auf mathematischen Algorithmen und machen sich sogenannte Einwegfunktionen zu Nutze, für welche keine effiziente Umkehrung bekannt ist. So ist es beispielsweise einfach, zwei große Primzahlen zu multiplizieren, jedoch ist die Primfaktorzerlegung einer großen Zahl sehr schwierig und selbst durch den Einsatz von Supercomputern nicht in nutzbarer Zeit lösbar – ganz im Gegensatz zu Quantencomputern, die im Vergleich zu traditionellen Computern für genau solche Problemstellungen prädestiniert sind.

In diesem Zusammenhang wurde bereits ein mögliches Ende der Blockchain vorhergesagt, da diese ebenfalls auf kryptographischen Algorithmen basiert. In naher Zukunft besteht zwar aufgrund der derzeit beschränkten Rechenleistung von Quantencomputern keine akute Gefahr für Bitcoin und Co., jedoch wird bereits intensiv an alternativen Verschlüsselungsmethoden gearbeitet (Stichwort: Post-Quanten-Kryptographie).

Das globale Rennen um die Vorherrschaft am Markt der Quantencomputer offenbart jedoch auch aktuell bestehende Hürden im Bereich der Hardware solcher Systeme. Um diese zu überwinden, werden beim Bau von Quantencomputern unterschiedliche Technologien eingesetzt, welche allesamt das Ziel haben, die grundlegenden Quantensysteme zu stabilisieren und zu verbessern, indem die Skalierbarkeit erhöht und die Fehleranfälligkeit reduziert wird. Weniger medial diskutiert werden bestehende Herausforderungen in Bezug auf die Software. Auch diesbezüglich wird intensiv an angepassten Algorithmen gearbeitet, wodurch eine Quantenüberlegenheit erreicht werden soll. Eine Gesamtbetrachtung und ein entsprechendes Co-Design zwischen Hard- und Software wird in den kommenden Jahren der Schlüssel zum Erfolg sein.

Abseits des Quantencomputings sieht Zeilinger insbesondere in der Quantenkryptographie ein wichtiges Einsatzgebiet seiner Forschung rund um das Thema der Quantenverschränkung, da mit Hilfe von verschränkten Teilchen abhörsichere Kommunikationskanäle erzeugt werden können. Eines ist jedenfalls sicher: Quantenbasierte Technologien sind gekommen, um zu bleiben – und Anton Zeilinger hat dazu einen wertvollen Beitrag geleistet.

 

 Autor: Lukas Wenzel

Quellen:

https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/physiknobelpreis-fuer-anton-zeilinger/

https://www.pwc.fr/fr/assets/files/pdf/2019/11/en-france-pwc-point-of-view-quantum-computing-2019.pdf

https://research.ibm.com/blog/127-qubit-quantum-processor-eagle

https://ai.googleblog.com/2019/10/quantum-supremacy-using-programmable.html

https://www.spektrum.de/news/googles-quantencomputer-von-wegen-ueberlegen/2050314

https://www.forbes.com/sites/forbestechcouncil/2021/01/04/how-quantum-computing-will-transform-cybersecurity/?sh=abdeb137d3fb

https://blockchainwelt.de/quantencomputer-stellen-blockchain-vor-herausforderungen/

https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/Unternehmen-und-Organisationen/Informationen-und-Empfehlungen/Quantentechnologien-und-Post-Quanten-Kryptografie/Entwicklungsstand-Quantencomputer/entwicklungsstand-quantencomputer_node.html