Den Erfolg von Change-Initiativen sichern: Das Rezept für ein effektives Monitoring
Meilensteine allein reichen nicht
Unternehmen, die sich im Umbruch befinden, benötigen Indikatoren, um ihre Fortschritte auf dem Weg zum Ziel zu verstehen. Eine der einfachsten Messgrößen für Veränderungen ist das Erreichen von Meilensteinen. Daher stehen sie oft im Mittelpunkt, wenn Führungskräfte versuchen, ihre Fortschritte zu bewerten. Diese Vorgehensweise hat allerdings eine Reihe von wesentlichen Nachteilen:
– Selbst wenn alle Meilensteine erreicht werden, kann man scheitern. Wert wird dann geschaffen, wenn das Ergebnis einer Veränderung greifbare Auswirkungen auf das Unternehmen hat. Auch wenn die besten Pläne penibel ausgeführt werden, kann das Ergebnis dennoch negativ ausfallen. Als Google 2011 sein Social-Media-Angebot Google+ einführte, um mit Facebook und anderen sozialen Netzwerken zu konkurrieren, wurde es termingerecht und unter Einhaltung des Budgets fertiggestellt. 2018 stellte Google es jedoch wieder ein, nachdem das Produkt 98 % seiner Nutzerbasis verloren hatte. Meilensteine, die zu Beginn einer Initiative festgelegt wurden, können sich im Laufe des Wandels verändern. Außerdem werden Meilensteine, die nicht mit einem klaren „Was ist für mich drin?” für die Mitarbeitenden verbunden sind, nie zum Tragen kommen.
– Es gibt keinen perfekten Plan. Veränderungen ändern sich. Egal, wie gut wir versuchen, die Zukunft vorauszusehen, neue Informationen und sich verändernde Umstände zwingen uns zur Flexibilität. Daher ist ein Ansatz, bei dem Meilensteine im Vordergrund stehen, riskant.
– Die Beteiligten müssen überzeugt werden. Termine und Zielvorgaben sind nur dann von Bedeutung, wenn die Personen, die sie erreichen sollen, auch motiviert sind. Ein nicht erreichter Meilenstein ist ein zu spätes Zeichen dafür, dass etwas schiefgelaufen ist. Anhand differenzierterer Kennzahlen lässt sich ein Problem schon lange vor einer verstrichenen Frist erkennen.
Ein ganzheitlicher Ansatz zur Messung des Wandels
Die Empfehlung von Stephen Covey, „mit dem Ziel vor Augen zu beginnen”, ist weit verbreitet. Trotzdem beginnen zu viele Change-Prozesse nicht mit der Messbarkeit im Hinterkopf. Erfolgreiche Unternehmen messen nicht den Veränderungsprozess (d. h. den „Meilenstein-Ansatz”), sondern erweitern den Umfang ihrer Messungen auf ganzheitliche Kennzahlen, wie zum Beispiel:
– Verhaltensänderung. Am deutlichsten lässt sich ein Veränderungsprozess daran messen, ob Einzelpersonen und das Unternehmen ihr Verhalten im Sinne des angestrebten Ziels geändert haben. Allerdings besteht einer der Nachteile des Wandels darin, dass diese Verhaltensweisen nicht immer klar definiert sind. Dieser Mangel an Definition macht es schwierig, ein Verfahren zur Verhaltensmessung einzusetzen.
– Stimmung. Erfahrene Unternehmen nutzen die Stimmungsanalyse sowohl vor als auch während und nach dem Veränderungsprozess. So kann festgestellt werden, wie die Mitarbeitenden vor der Veränderung über den Prozess denken, welche Erfahrungen sie während des Übergangs gemacht haben und wie sie die Veränderung nach ihrem Abschluss sehen. Die Stimmungsanalyse hilft den Führungskräften dabei, einen Überblick darüber zu erhalten, ob die Mitarbeitenden die Veränderung befürworten oder als bedrohlich empfinden.
– Unternehmensleistung. Ein Großteil der Unternehmen initiiert Veränderungen, um bestimmte KPIs zu verbessern. Die Messung der Veränderung dieser KPIs ist eine Standardmethode zur Messung des Erfolgs einer Change-Initiative. In bestimmten Fällen ist es allerdings erforderlich, neue KPIs zu erstellen. Wenn die Leistung einiger Mitarbeitenden an bestehenden KPIs gemessen wird, kann dies die Bereitschaft zur Übernahme neuer Verhaltensweisen beeinträchtigen. Daher ist es wichtig, dass das Ergebnismanagement auf die Ziele der Veränderung abgestimmt ist, um derartige Reibungen zu vermeiden.
– Investitionen. Ein Veränderungsprozess verfügt in der Regel über ein eigenes Budget. Einige Unternehmen messen den Erfolg ihrer Veränderungen daran, wie gut das Change-Management-Team sein Budget einhält und die Ressourcen zuweist. Die strikte Einhaltung eines Budgets kann jedoch den Wandel behindern, wenn Ressourcen zugewiesen werden müssen, um die Dynamik aufrechtzuerhalten.
– Akzeptanz. Wenn die Veränderung die Einführung einer neuen Technologie oder eines neuen Prozesses beinhaltet, kann der Erfolg anhand der Adoptionsrate des Tools selbst und der Frage gemessen werden, ob die Mitarbeitenden es wie vorgesehen nutzen. Sogenannte „Digital Adoption Platforms” werden immer wertvoller, um Veränderungen im Zusammenhang mit der Einführung neuer Technologien zu messen und voranzutreiben.
– Mitarbeiterbindung. Schlecht durchgeführte Veränderungen wirken sich negativ auf die Mitarbeitenden aus, was dazu führen kann, dass sie das Unternehmen verlassen. Austrittsgespräche und die Analyse von Austrittsdaten bieten einen wertvollen (wenn auch verspäteten) Indikator für die Auswirkungen der Veränderungen auf die Mitarbeitenden.
– Motivation und Produktivität. Die Unsicherheit, die Veränderungen mit sich bringen, sowie die Notwendigkeit, neue Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu erlernen, können die Motivation und die Produktivität beeinträchtigen.
– Meilensteine und Ergebnisse. Obgleich der Einsatz von Meilensteinen als alleinige Messgröße nicht empfehlenswert ist, können sie dennoch ein wertvoller Bestandteil eines ganzheitlichen Prozesses zur Messung von Veränderungen sein. Allerdings muss der Erfolg der Teams bei der Erfüllung von Aufgaben und Ergebnissen stets im Zusammenhang mit weiteren Messgrößen gesehen werden, um sicherzustellen, dass sie kein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln.
Niemals die Story aus den Augen verlieren
Auch wenn es verlockend sein mag, sich auf konkrete Veränderungen zu konzentrieren, müssen die Mitarbeitenden vor allem auch die Hintergründe verstehen. Das „Warum” und „Was ist für mich drin” sind ein wesentlicher Faktor, auf dem der Erfolg der Transformation beruht. Eine überzeugende Strategie des Zuhörens und der Kommunikation muss den gesamten Planungsprozess begleiten.
– Funktionsübergreifende Datensammlung in großem Umfang nutzen. Durch regelmäßige Umfragen bei vergleichsweise großer Gruppe von Mitarbeitenden lassen sich Trends und Bereiche erkennen, die einer weiteren Analyse bedürfen. Solche Erhebungen können eine wertvolle Informationsquelle sein, um zu entscheiden, ob eine Change-Initiative in Angriff genommen werden soll.
– Gezielte Befragungen durchführen. Mithilfe laufender oder gelegentlicher Befragungen können bei sorgfältig ausgewählten Gruppen, entscheidende Kennzahlen stichprobenartig überprüft und Schlüsselmomente des Change-Prozesses bewertet werden.
– Verhaltens- und Aktivitätsanalyse erstellen. Aus den verschiedenen Tools und Plattformen, die Mitarbeitenden zur Zusammenarbeit und für ihre Arbeit nutzen, lassen sich zahlreiche Daten darüber gewinnen, wie eine Veränderung abläuft. Anhand dieser wertvollen Daten lässt sich feststellen, ob die Mitarbeitenden die Prozesse und/oder Technologien wie beabsichtigt annehmen.
– Erkenntnisse aus Fokusgruppen gewinnen. Auch wenn Datenanalysen einige Antworten liefern können, müssen Sie oft über quantitative Daten hinausgehen und Interviews und Gespräche in kleinen Gruppen führen. Durch zielgerichtete Diskussionen lässt sich herausfinden, warum ein bestimmter Teil der Veränderung auf Widerstand stößt.
– Führungskräfte einbeziehen. Führungskräfte verfügen über ein umfassendes Wissen darüber, wie ihre Teams eine Veränderung erleben und welche Aspekte des Prozesses wahrscheinlich nicht gut ankommen werden. Dennoch werden sie oft nur als Sprachrohr für die Botschaften der Geschäftsführung benutzt. Durch die Einbeziehung der Führungskräfte auf allen Ebenen des Unternehmens wird die Kommunikation in beide Richtungen gefördert, was bei der Bewertung der Wirksamkeit der Veränderungsmaßnahmen von großem Wert sein kann.
Alles in allem zeigt sich, dass Unternehmen, die ihre Fortschritte bei der Umsetzung von Veränderungen erfassen wollen, sich nicht nur auf das Erreichen von Meilensteinen konzentrieren sollten. Das Erreichen aller Meilensteine ist keine Erfolgsgarantie und führt unter Umständen nicht zu positiven Geschäftsergebnissen. Außerdem können Pläne und Meilensteine im Laufe des Wandels aus dem Gleichgewicht geraten, und Meilensteine, die für Mitarbeitenden nicht eindeutig nachvollziehbar sind, werden nur schwer an Zugkraft gewinnen. Eine wirkungsvolle Messstrategie muss über Meilensteine hinausgehen und einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, der verschiedene Indikatoren wie Verhaltensänderungen, Stimmungsanalysen und die Akkumulation von Veränderungen einbezieht.
Autor: Jonas Stahlhut
Quellen
https://www.gartner.com/document/4018232?ref=solrResearch&refval=355141005