Gamification: The Art of Motivation and Engagement
Gamification hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem mächtigen Werkzeug entwickelt, um Engagement, Motivation und Verhaltensänderungen in verschiedenen Kontexten zu fördern. Von der Bildung bis hin zum Marketing, von Fitness-Apps bis zu Unternehmensprozessen – die Anwendung von Spielmechanismen in nicht-spielerischen Umgebungen erweist sich als äußerst effektiv und ist an vielen Stellen nicht mehr wegzudenken. Ein besonders nützliches Modell zur Analyse und Gestaltung von Gamification-Strategien ist das Octalysis-Framework, entwickelt von Yu-kai Chou, welches Strategien und Ansätze sehr umfassend sichtbar und damit bewusst anwendbar macht.
Was ist das Das Octalysis-Framework?
Das Octalysis-Framework unterteilt Gamification in acht Kernelemente der Motivation, denen im Detail über 88 Gamification-Praktiken zugeordnet sind. Diese Elemente sind:
1. Epic Meaning & Calling (Epische Bedeutung und Berufung)
2. Development & Accomplishment (Entwicklung und Leistung)
3. Empowerment of Creativity & Feedback (Empowerment durch Kreativität und Feedback)
4. Ownership & Possession (Eigentum und Besitz)
5. Social Influence & Relatedness (Soziale Einflussnahme und Verbundenheit)
6. Scarcity & Impatience (Knappheit und Ungeduld)
7. Unpredictability & Curiosity (Unvorhersehbarkeit und Neugier)
8. Loss & Avoidance (Verlust und Vermeidung)
Diese acht Kernelemente repräsentieren verschiedene Motivationsfaktoren, die zusammenspielen, um das Engagement der Nutzer:innen zu erhöhen. In der Praxis können die Kernelemente folgendermaßen Anwendung finden:
1. Epische Bedeutung und Berufung
Menschen möchten Teil von etwas Größerem sein. Sie wollen das Gefühl haben, dass ihre Handlungen einen bedeutenden Einfluss haben. Dieses Element wird oft in gemeinnützigen Projekten und Bewegungen verwendet. Zum Beispiel kann eine Umweltorganisation eine App entwickeln, bei der User:innen durch das Sammeln von Abfall virtuelle Abzeichen und Belohnungen erhalten, was das Gefühl verstärkt, zu einer wichtigen Sache beizutragen.
2. Entwicklung und Leistung
Dieses Element bezieht sich auf den inneren Wunsch, Fortschritte zu machen und Ziele zu erreichen. Punktesysteme, Ranglisten und Abzeichen sind typische Mechanismen, die diesen Antrieb nutzen. In einer Lernplattform können Nutzer:innen durch das Absolvieren von Kursmodulen Punkte sammeln und Level aufsteigen, was ihren Lernfortschritt sichtbar und greifbar macht.
3. Empowerment durch Kreativität und Feedback
Kreativität und Feedback sind entscheidend, um Nutzer:innen zu inspirieren und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie Kontrolle über ihre eigenen Handlungen haben. Ein Beispiel dafür ist eine Plattform wie YouTube, auf der Nutzer:innen ihre eigenen Videos hochladen, Feedback in Form von Likes und Kommentaren erhalten und ihre Kreativität ausleben können.
4. Eigentum und Besitz
Dieses Element zielt auf den natürlichen Drang ab, Dinge zu besitzen und zu kontrollieren. In vielen Videospielen sammeln Spieler:innen Ressourcen, Gegenstände und Belohnungen, die sie besitzen und nutzen können. Dieses Prinzip kann auch in Finanz-Apps Anwendung finden, wo Nutzer:innen virtuelle Portfolios erstellen und verwalten können, was ihnen ein Gefühl der Kontrolle und des Besitzes vermittelt.
5. Soziale Einflussnahme und Verbundenheit
Menschen sind soziale Wesen und werden stark durch ihre Umgebung beeinflusst. Soziale Anerkennung, Wettkämpfe und Kooperation sind Schlüsselmechanismen dieses Elements. In Fitness-Apps können Nutzer:innen ihre Fortschritte mit Bekannten teilen, an gemeinsamen Herausforderungen teilnehmen und sich gegenseitig motivieren.
6. Knappheit und Ungeduld
Das Prinzip der Knappheit und Ungeduld nutzt die menschliche Tendenz aus, Dinge mehr zu schätzen, wenn sie schwer zu bekommen sind. Zeitlich begrenzte Angebote, exklusive Inhalte und seltene Belohnungen sind typische Beispiele. Ein E-Commerce-Unternehmen könnte Flash-Sales oder limitierte Editionen anbieten, um dieses Prinzip zu nutzen.
7. Unvorhersehbarkeit und Neugier
Menschen sind von Natur aus neugierig und lieben Überraschungen. Loot-Boxen in Videospielen oder Zufallsbelohnungen in Treueprogrammen spielen auf diese Neugier an – sollten jedoch sehr behutsam und mit Bedacht eingesetzt werden, da gerade sie als kontroverse Spielmechanik gelten. Auch Gamification-Elemente wie tägliche Überraschungen oder unerwartete Belohnungen können das Engagement der Nutzer:innen steigern.
8. Verlust und Vermeidung
Dieses Element basiert auf der Angst, etwas zu verlieren oder eine negative Konsequenz zu erleiden. In Fitness-Apps könnte dies durch Erinnerungen an verpasste Workouts oder das Verlieren von Fortschritten in einem Spiel implementiert werden, wenn Nutzer:innen nicht regelmäßig aktiv sind.
Nicht nur die Gamification-Logik ist wichtig – sondern auch der Typ der Spieler:innen
Zu beachten ist, dass nicht nur unterschiedliche Gamification-Aspekte die Menschen unterschiedlich stark ansprechen – häufig ist es hilfreich bei der Auswahl der Mechaniken auch zu überlegen, von welchen „Typen“ die eigenen Kund:innen oder User:innen überwiegend geprägt sind. Denn je nachdem funktionieren manche Gamification-Aspekte besser oder schlechter. Richard Bartle klassifizierte dabei die Typen von Spieler:innen in vier relevante Kategorien: Achievers, Explorers, Socializers und Killers, die sich auch im Kontext des Ocatlysis-Frameworks wiederfinden:
Achievers (10 % der User:innen)
Achievers sind motiviert durch Herausforderungen und das Erreichen von Zielen. Sie werden besonders durch Elemente wie Entwicklung und Leistung angesprochen. Punktesysteme, Abzeichen und Ranglisten bieten ihnen klare Ziele, auf die sie hinarbeiten können.
Explorers (10 % der User:innen)
Explorers sind neugierig und lieben es, neue Dinge zu entdecken. Elemente wie Unvorhersehbarkeit und Neugier sowie Empowerment durch Kreativität und Feedback sind für sie besonders ansprechend. In einer Lernplattform könnten sie beispielsweise durch das Erforschen neuer Module und das Experimentieren mit verschiedenen Lernmethoden motiviert werden.
Socializers (80 % der User:innen)
Socializers suchen soziale Interaktionen und Gemeinschaftserlebnisse. Sie werden durch Soziale Einflussnahme und Verbundenheit motiviert. Diskussionsforen, Gruppenarbeiten und gemeinsame Herausforderungen in einer App oder Plattform bieten ihnen die Möglichkeit, sich mit anderen zu verbinden und gemeinsam Ziele zu erreichen.
Killers (1 % der User:innen)
Killers (diese Benennung hat keinen Bezug zur eigenen Persönlichkeit) sind wettbewerbsorientiert und genießen es, in Wettbewerben zu dominieren. Elemente wie Eigentum und Besitz sowie Knappheit und Ungeduld sprechen sie verstärkt an. In einem Spiel oder einer Plattform könnten sie durch das Sammeln seltener Belohnungen oder das Besiegen Anderer in Ranglistenwettbewerben motiviert werden.
Gamification in der Praxis
Um die Anwendung der Octalysis-Elemente und die Ansprache der verschiedenen Typen in der Praxis zu veranschaulichen, betrachten wir ein Beispiel aus dem Bildungsbereich: eine E-Learning-Plattform.
Beispiel: E-Learning-Plattform
– Epische Bedeutung und Berufung:
Die Plattform könnte einen Bereich bieten, in dem Nutzer:innen durch ihre Lernerfolge zu gemeinnützigen Projekten beitragen können, zum Beispiel durch das Spenden von Punkten an Bildungsinitiativen. Dies spricht insbesondere Socializers an, die Teil einer größeren Gemeinschaft sein möchten.
– Entwicklung und Leistung:
Nutzer:innen erhalten Punkte, Abzeichen und Zertifikate für abgeschlossene Kurse und Module, was ihren Fortschritt sichtbar macht. Dies motiviert Achievers, die nach Anerkennung und Fortschritt streben.
– Ermächtigung durch Kreativität und Feedback:
Lernende können eigene Projekte und Lerninhalte erstellen, die von anderen Nutzer:innen bewertet und kommentiert werden. Dies spricht Explorers an, die nach Möglichkeiten suchen, ihre Kreativität auszuleben und neues Wissen zu entdecken.
– Eigentum und Besitz:
Nutzer:innen können ihr persönliches Lernprofil mit erworbenen Zertifikaten, abgeschlossenen Kursen und individuellen Lernzielen gestalten. Dies motiviert Killers, da sie Kontrolle über ihre Fortschritte und Belohnungen haben möchten.
– Soziale Einflussnahme und Verbundenheit:
Die Plattform könnte Diskussionsforen, Gruppenarbeiten und Wettbewerbe anbieten, bei denen Nutzer:innen miteinander interagieren und voneinander lernen können. Dies spricht Socializers an, die Wert auf soziale Interaktionen legen.
– Knappheit und Ungeduld:
Zeitlich begrenzte Kurse oder exklusive Inhalte, die nur für eine bestimmte Zeit verfügbar sind, erhöhen den Anreiz zur Teilnahme. Dies kann sowohl Achievers als auch Killers motivieren, die den Wettbewerb um seltene Ressourcen oder Belohnungen schätzen.
– Unvorhersehbarkeit und Neugier:
Die Plattform könnte tägliche Herausforderungen oder zufällige Belohnungen für regelmäßiges Lernen anbieten. Dies spricht Explorers an, die gerne neue und überraschende Elemente entdecken.
– Verlust und Vermeidung:
Erinnerungen an bevorstehende Kursfristen oder das Verlieren von Fortschritten bei Inaktivität können die Nutzer:innen motivieren, kontinuierlich zu lernen. Dies kann insbesondere Achievers motivieren, die ihre Fortschritte nicht verlieren möchten.
Fazit
Das Octalysis-Framework bietet eine umfassende und strukturierte Herangehensweise, um Gamification-Strategien zu entwerfen, die auf tief verwurzelten menschlichen Motivationen basieren. Durch die geschickte Anwendung dieser Prinzipien können Unternehmen, Bildungseinrichtungen und viele andere Organisationen das Engagement und die Motivation ihrer User:innen erheblich steigern. Indem sie die unterschiedlichen Typen von Spieler:innen berücksichtigen und gezielt ansprechen, können sie sicherstellen, dass ihre Gamification-Strategien den Erfolg ihres Produktes oder ihres Services antreibt und für die User:innen ein ausgeglichenes Erlebnis bieten, zu welchem sie gerne zurückkehren.
Autorin: Bernadette Fellner (AT)
Quellen:
Framework: https://octalysisgroup.com/framework/
Richard Bartle: https://mud.co.uk/richard/hcds.htm
Test your Gaming Type: https://matthewbarr.co.uk/bartle/