Über die Identifizierung von KI-Use Cases
Laut Statistik Austria nutzten in 2023 11 % der österreichischen Unternehmen künstliche Intelligenz (KI). Heute mag dieser Prozentsatz bereits etwas höher liegen. Dennoch besteht bei der Verbreitung „Luft nach oben“. Laut einer internationalen Studie von Microsoft planen 81 % der Unternehmen spätestens ab 2025 KI einzusetzen.
Einerseits ist KI mehr als ein Trend, andererseits begegnet man oft einer gewissen Skepsis. KI kann für Unternehmen auch eine gewisse Geldverbrennungsmaschine darstellen, wenn man es falsch macht. Dann stellen sich die Produktivitätsgewinne nicht ein und Konsument:innen sind eventuell genervt, viel Zeit damit zu verbringen, um die KI zu überzeugen, dass man „echte“ Servicemitarbeiter:innen benötigt. Da wird die KI manchmal als Mauer empfunden, um keinen Service anbieten zu müssen.
Ist KI also nur ein Hype, der vorbei geht? Überwiegen die Nachteile? Sicher nicht, allerdings neigten manche frühe KIs zu Halluzinationen und wiesen Lücken in der Zuverlässigkeit auf, stark auch abhängig von den Datensätzen, mit denen sie trainiert wurden.
Inzwischen sind die Modelle jedoch ausgereifter, die Use Cases bereits klarer abgegrenzt und die positiven Ergebnisse bereits dokumentiert. Die Zahl derjenigen, welche die Sinnhaftigkeit in Frage stellen, ist geringer geworden. Allerdings ist es notwendig, sehr systematisch vorzugehen, um signifikante Produktivitätsfortschritte zu erzielen.
Gemäß einer Befragung von Microsoft (2023) beträgt z. B. die Zeitersparnis von durchschnittlichen Verkaufsmitarbeiter:innen durch KI 90 Minuten in der Woche und 67 % der Verkaufsmitarbeiter:innen verbringen mehr Zeit mit dem Kunden.
Welche Use Cases zahlen sich also aus bzw. wie geht man am besten vor?
Man kann die AI- oder KI-Lösungen im Customer Relationship und ERP nach zunehmenden Kosten und Komplexität der Inanspruchnahme grob einteilen in:
– KI – Integriert in der CRM- oder ERP-Software
– KI – Services
– KI – Individuelle Entwicklungen
KI – Integriert in der CRM oder ERP-Software
Diese Features werden z. B. von großen Software-Anbietern offeriert. Sie lassen sich heute sehr leicht einsetzen, und kommen mit einem Abo bzw. einer Subscription.
Es wird hier stellvertretend auf Microsoft eingegangen. Die vergleichbaren Mitbewerber bieten ähnliche Leistungen an. Allerdings kann man schon behaupten, dass Microsoft frühzeitig auf dieses Pferd gesetzt hat und in diesem Bereich eine gewisse Vorreiterrolle einnimmt.
Wenn Sie z. B. Microsoft Dynamics 365 Sales nutzen und bereits eine Lizenz besitzen, gibt es bestimmte KI-gestützte Funktionen, für die eine höhere Lizenz (Dynamics 365 Sales Premium oder Sales Enterprise) erforderlich ist. Zu diesen erweiterten KI-Funktionen gehören:
1. Predictive Lead Scoring: KI-Modelle, die historische Daten analysieren, um vorherzusagen, welche Leads am wahrscheinlichsten konvertieren.
2. Predictive Opportunity Scoring: Ähnlich wie beim Lead Scoring, sagt diese Funktion die Wahrscheinlichkeit voraus, dass ein Geschäft abgeschlossen wird.
3. Conversation Intelligence: Automatische Transkription von Verkaufsgesprächen, Extraktion von Insights und Sentimentanalyse, um Vertriebsmitarbeiter:innen bei der Verbesserung ihrer Interaktionen zu unterstützen.
4. Beziehungsanalysen (Relationship Analytics): Analysiert Interaktionen zwischen Vertriebsmitarbeiter:innen und Kund:innen (E-Mails, Meetings usw.) und bietet Bewertungen der Beziehung.
5. Vorhersage mit prädiktiven Trends: KI-gestützte Verkaufsprognosen, die prädiktive Analysen auf Basis historischer und aktueller Daten enthalten.
6. Sales Accelerator: Ein Tool, das KI verwendet, um Kund:inneninteraktionen zu priorisieren, sodass Vertriebsmitarbeiter:innen sich auf besonders wichtige Aktivitäten konzentrieren können.
7. Assistent (KI-gestützte Vorschläge): KI-gesteuerte Einblicke und kontextbezogene Vorschläge (z. B. die besten nächsten Schritte, Erinnerungen und Nachfassaktionen) basierend auf Kund:inneninteraktionen.
8. E-Mail-Engagement: Verfolgt und analysiert E-Mail-Interaktionen und liefert Einblicke, wann E-Mails geöffnet oder angeklickt werden, und schlägt die besten Zeiten für die Kontaktaufnahme vor.
9. Notizen-Analyse: Eine KI-gestützte Funktion, die wichtige Details aus während Verkaufsgesprächen erstellten Notizen extrahiert.
Um auf diese erweiterten KI-Funktionen zugreifen zu können, benötigen Sie eine Dynamics 365 Sales Enterprise oder Premium Lizenz – die Differenz beginnt ca. bei 30 € Euro per Monat per User:in zur Basis i. e. Professional-Lizenz. Diese Differenz ist bei einem üblichen Stundenlohn bald beglichen.
Diese Liste zeigt nur Use-Cases in Microsoft-Sales. Ähnliche Listen kann man für alle anderen Module in Betracht ziehen (Marketing Automation, Customer Service, Field Service, ERP, etc.).
Jedenfalls sind die KI-Optionen leicht bestell- und abrufbar. Man kann sie z. B. testweise einige Zeit nutzen und die Produktivitätsgewinne messen. Sollten die KI-Optionen keine nennenswerten Auswirkungen haben, kann man die Subscription technisch und kommerziell leicht zurücknehmen. Es ist jedoch in Betracht zu ziehen, dass sich die Nutzer:innen bereits daran gewöhnt haben könnten und möglicherweise nicht mehr darauf verzichten wollen.
KI – Services
Hier sind die KI-Möglichkeiten in der Power Plattform von Microsoft angeführt
Microsoft teil diese ein in:
1. Maschinelles Lernen: Dies ist ein Teilbereich der KI, der es Systemen ermöglicht, aus Daten zu lernen und Muster zu erkennen, ohne explizit programmiert zu werden. Es wird verwendet, um Vorhersagen zu treffen und Entscheidungen zu automatisieren.
2. Computer Vision: Dies bezieht sich auf die Fähigkeit von Maschinen, Bilder und Videos zu interpretieren und zu verstehen. Dies umfasst Aufgaben wie Objekterkennung, Bildklassifizierung und Gesichtserkennung.
3. Natürliche Sprachverarbeitung (NLP): Sie ermöglicht es Maschinen, menschliche Sprache zu verstehen und zu verarbeiten. Dies wird verwendet für Anwendungen wie Sprachassistenten, Textanalyse und Übersetzungsdienste.
4. Dokumentenintelligenz: Diese bezieht sich auf die Fähigkeit, Informationen aus unstrukturierten Dokumenten zu extrahieren und zu analysieren. Wissensabbau umfasst die Entdeckung von Erkenntnissen aus großen Datenmengen, um Muster und Zusammenhänge zu erkennen.
5. Generative KI: Diese bezieht sich auf Modelle, die neue Inhalte erzeugen können, wie Texte, Bilder oder Musik. Diese Technologie wird genutzt, um kreative Aufgaben zu automatisieren und neue Ideen zu entwickeln.
6. Darüber hinaus gibt es noch Copilot Studio (Virtual Agent od. Chatbot) und Copilot for Service, welche ebenfalls in der Power Plattform im Microsoft-Offering angeboten werden. Microsoft verwendet das Wort Copilot gerne und oft zur Bezeichnung von KI-Leistungen.
Der Aufwand zur Nutzung dieser Services ist eher überschaubar. Abgerechnet wird normalerweise nach Azure-Nutzung, d. h. nach Nutzungszeit oder in Anspruch genommene Kapazitäten.
Die Microsoft Power Plattform, eine Low-Code Plattform stellt Apps, Webseiten, Prozessautomatisierung und Chatbots zur Verfügung, mit denen die KI-Services in Verbund genutzt werden können.
Auch hier lassen sich recht leicht Gehversuche unternehmen. Man hat aber am besten bereits vorher klare Vorstellungen über den Use Case, welchen man umsetzen möchte. Dies verlangt bereits auch ein gewisses Projektmanagement und -monitoring.
KI – Individuelle Lösungen
Taylormade KI-Applikationen bzw. Individualentwicklungen hingegen sind aufwändiger und mit höheren Kosten verbunden. Diese lohnen sich insbesondere wenn branchenspezifische Use Cases mit besonderem, abgrenzbarem Zweck bestehen. Dies sind meistens Projekte, bei denen längerfristig eine hohe Usage angenommen werden kann. Die KI-Applikation kann für den Anwendungszweck optimiert werden.
Bei diesen Projekten können die Azure-Kosten hoch werden. Es besteht auch die Möglichkeit nicht kostenpflichtige Datenmodelle zu nutzen und die Applikation selbst zu hosten.
Bei diesen Projekten ist mit tendenziell höheren Entwicklungskosten zu rechnen. Ein fortgeschrittenes Projektmanagement ist erforderlich.
Bei KI – Services und KI – Individuelle Lösungen müssen Sie außerdem dem AI-Act der EU von 2023 Rechnung tragen. Bei der Gruppe Integriert in CRM- oder ERP-Systeme kann dies weitgehend außer Acht gelassen werden, da der Provider dies im Regelfall bereits berücksichtigt hat.
Nach dem AI-Act bedürfen manche KI-Systeme zum Beispiel unter anderem eines Risikomanagement-Verfahrens, einer kontinuierlichen menschlichen Aufsicht, einer Aufzeichnung der Tätigkeiten und einer technischen Dokumentation.
Zudem bringen sie Pflichten für die Verwender:innen mit sich, etwa ein besonderes Handling der eingesetzten Trainingsdaten oder Aufklärungspflichten gegenüber den Nutzer:innen.
Dieser Blog konzentriert sich auf Customer Relationship- und ERP-Anwendungen. Es bestehen natürlich ebenfalls in anderen Unternehmensbereichen viele erwägenswerte Use Cases für KI.
Eine Umsetzung im Microsoft Ökosystem stellt eine der möglichen Optionen dar. Wie oben erwähnt bieten einige Mitbewerber ähnliche Services an. Wenn Ihre Systemlandschaft auf andere Systeme basiert können wir gemeinsam feststellen, ob nicht andere Möglichkeiten bestehen, welche besser zu Ihrer Systemlandschaft passen.
PwC verfügt über ausgedehnte Erfahrung, sowohl in der Auswahl und Implementierung von CRM- und ERP-Systemen als auch in Umsetzung von KI-Anwendungen.
Gerne führen wir eine gemeinsame Identifikation von Use Cases durch, damit Sie KI-Systeme zügig dort einsetzen können, wo es Ihnen zur Erreichung Ihrer Umsatz- und Produktivitätsziele hilfreich ist.
Laut einer Studie von Forrester (2024) stimmen 90 % der befragten Entscheidungsträger:innen zu, dass ihre Organisationen in Zukunft auf Partner mit fortgeschrittenen technischen Fähigkeiten angewiesen sind, um den vollen Nutzen aus generativer KI (genAI) zu ziehen.
Quellen:
Forrester.com: Where Is Generative AI’s Transformational Value Hiding?
Microsoft Azure AI Fundamentals: https://learn.microsoft.com/en-us/training/paths/get-started-with-artificial-intelligence-on-azure/
Autor:
Elmar Rudelstorfer (AT)