KI-Agenten: Wie sie Branchen transformieren und Arbeit neu definieren
Wir befinden uns an einem technologischen Wendepunkt. Die digitale Welt bewegt sich rasant und an der Spitze dieser Bewegung steht eine Form der Software, die das Potenzial hat, unsere Art zu arbeiten, zu leben und zu interagieren, grundlegend zu verändern: KI-Agenten. Diese teilautonomen Systeme sind bereits dabei, ein integraler Bestandteil von Wirtschaftsprozessen, Industrieabläufen und Alltagsroutinen zu werden.
Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) entwickeln sie sich von einfachen Task-Managern zu hochkomplexen Kollaborationspartnern, deren Transformationspotenzial die digitale Revolution des Internets noch übertreffen könnte. Doch jeder Wandel bringt auch Herausforderungen mit sich: Um in diesem neuen Zeitalter zu bestehen, ist es entscheidend zu verstehen, was KI-Agenten sind, warum Unternehmen sie einsetzen und wie sie bereits heute Branchen grundlegend verändern.
Was sind KI-Agenten?
Im Kern sind KI-Agenten adaptive Computersysteme, die autonom agieren können. Im Gegensatz zu herkömmlicher Software passen sich KI-Agenten dynamisch an Veränderungen an, lernen aus Erfahrungen und agieren zielgerichtet, ohne ständige menschliche Intervention. Sie kombinieren maschinelles Lernen, die Verarbeitung natürlicher Sprache und Echtzeit-Datenanalyse, um Entscheidungen zu treffen, die früher menschlicher Intelligenz vorbehalten waren.
Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass nicht alle KI-Agenten gleich sind.
Noch gibt es zwar kein offiziell anerkanntes Regelwerk zur Klassifikation von KI-Agenten, jedoch wird in den meisten Klassifikationssystemen zwischen dem Grad an Autonomie und den Handlungsspielräumen unterschieden, die den Agentensystemen zur Verfügung stehen.
Anmerkung: Wenn wir heute von KI-Agenten sprechen, dann meinen wir damit in der Regel Systeme, die auf großen Sprachmodellen (Large Language Models) basieren. Große Sprachmodelle (oder allgemeiner: Generative KI) sind die Technologie, die hinter dem Erfolg von Applikationen wie ChatGPT steht. Agenten hingegen – mit oder ohne KI – gab es schon lange vorher und es ist vor allem den rasanten Fortschritten der letzten Jahre geschuldet, dass inzwischen kaum mehr an Agentensystemen geforscht wird, die nicht auf Generativer KI basieren.
Einer der pragmatischeren Ansätze stammt vom französisch-amerikanischen KI-Unternehmen HuggingFace, welches sich in seiner Unterscheidung auf die Prozesse fokussiert, die von unterschiedlichen KI-Agenten kontrolliert werden können. Auf alltagsnahe Beispiele übertragen, würde eine Einordnung wie folgt aussehen:
(Stufe 0) Einfache Verarbeitung: KI-Systeme auf dieser Ebene verfügen über keinerlei Autonomie. Ihr Output verändert den weiteren Ablauf nicht.
- Beispiel: Die klassischen KI-Anwendungen wie ein intelligenter Spamfilter oder maschinelle Übersetzung.
(Stufe 1) Workflow-Kontrolle: Der Output des KI-Systems beeinflusst den weiteren Ablauf, aber lediglich in einem strikt vorgegebenen Rahmen.
- Beispiel: Traditionelle Chatbots, die mit Wenn-Dann-Konditionen arbeiten. Der Output der KI kann z.B. bestimmen, ob ein Nutzer an einen menschlichen Mitarbeiter weitergeleitet wird.
(Stufe 2) Benutzung von Hilfsmitteln: Die KI kann selbst bestimmen, ob sie für eine Anfrage Hilfsmittel benutzt. Ein Hilfsmittel kann dabei theoretisch alles sein, was über eine Schnittstelle verfügbar ist: Ein digitaler Taschenrechner, eine Suchmaschine oder auch ein hochkomplexes Rechenprogramm wie Wolfram-Alpha. Ab dieser Stufe wird üblicherweise von einem KI-Agenten gesprochen, da ein solches System Autonomie darüber hat, welches Hilfsmittel es wann benutzt.
- Beispiel: Ein virtueller Reiseassistent, der basierend auf den Wünschen des Nutzers (z.B., „tierfreundliche Hotels unter 100€/Nacht“) nach passenden Angeboten sucht. Hilfsmittel könnten hierbei z.B. eine Suchmaschine und ein Buchungstool sein.
(Stufe 3) Mehrstufige Iterationen: Während es auf der vorherigen Ebene noch um klar linear ablaufende Abfolgen von Arbeitsprozessen ging (Nutzereingabe à Suchmaschine à Buchungstool à Ergebnis), wird es hier schon etwas komplizierter. Die KI bekommt Autonomie über den Ablauf der Arbeitsschritte, sie bestimmt selbst, wann ein Ergebnis erzielt ist und kann nicht nur die Abfolge der Arbeitsschritte bestimmen, sondern sie auch beliebig oft wiederholen – sofern ihr nicht explizite Grenzen gesetzt werden.
- Beispiel: Ein virtueller Forschungsassistent, der Studien sichtet, sie verarbeitet, Erkenntnisse sammelt und an seiner Analyse feilt, bis sie fertiggestellt ist.
(Stufe 4) Multi-Agenten-Systeme: Wie der Name bereits verrät, werden hier mehrere Agenten miteinander verknüpft. Üblicherweise ist darunter mindestens ein Stufe 3 Agent, oft auch mehrere, da in einem Multi-Agenten-System Koordination zu einem wichtigen Thema wird. Ähnlich wie in einem menschlichen Team müssen die Agenten untereinander kommunizieren und Aufgaben müssen verteilt werden. Ohne volle Kontrolle über die Arbeitsprozesse (siehe Stufe 3) ist das nur bedingt möglich. Die Hierarchien unter den Agenten und ihre jeweiligen Aufgaben können dabei stark variieren.
- Beispiel: Ein Multi-Agenten System, das Material für das Marketing-Team eines Unternehmens vorbereitet. Ein Planungsagent analysiert die Fähigkeitsprofile der anderen Agenten, die jeweils auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert wurden, und verteilt Aufgaben an sie. Ein Agent könnte beispielweise auf Onlinerecherche spezialisiert sein und die wichtigsten Informationen zu einem Thema zusammensuchen. Ein anderer Agent könnte Bildmaterial erstellen und wieder ein anderer einen dazu passenden Text entwerfen, basierend auf der vorhergegangenen Recherche.
Wichtig: Am Ende eines solchen Prozesses sollte immer ein Mensch stehen („human-in-the-loop“). Je mehr Autonomie Sie einem KI-Agenten-System geben, desto eher sollte sein Output von einem – oder mehreren – Menschen überprüft und ggf. korrigiert werden.
Warum KI-Agenten? Die treibenden Faktoren
KI-Agenten sind in der Lage, Eingaben aus ihrer Umgebung zu verstehen und zu interpretieren, sei es in physischen Räumen oder auf digitalen Plattformen, und darauf zu reagieren, ohne dass eine ständige menschliche Intervention erforderlich ist – ganz im Gegenteil zu traditionellen Computerprogrammen, die auf strikter Programmierlogik aufgebaut sind. Diese neue Art der Software eröffnet Unternehmen noch nie dagewesene Möglichkeiten, die kaum vielfältiger sein könnten. Eine Reihe treibender Faktoren spielt allerdings bei fast allen Anwendungsfällen eine zentrale Rolle:
- Produktivitätssteigerung: KI-Agenten automatisieren repetitive Aufgaben – von Dokumentenverarbeitung bis hin zu IT-Support – und setzen menschliche Ressourcen für strategischere Rollen frei.
- Kostenreduktion: Durch Fehlerreduktion und optimierte Prozesse sparen Unternehmen einen großen Teil ihrer Betriebskosten ein.
- Skalierbarkeit: Cloud-basierte KI-Agenten ermöglichen durch elastische Kapazitäten nie dagewesene Hardwareeffizienz.
- Datengetriebene Präzision: KI-gestützte Systeme erreichen inzwischen in vielen Bereichen eine Genauigkeit, die jene von menschlicher Analyse übertrifft.
Augmentierte Intelligenz: Die Mensch-KI-Symbiose
Neben dem „Warum? “ der Nutzung von KI-Agenten beschäftigt viele Entscheidungsträger:innen derzeit auch die Frage nach dem “Wie?” – Wie kann ich an diesem technologischen Wandel teilhaben?
Die meisten erfolgreichen Anwendungen von KI-Agenten zeigen einen klaren Trend auf: Sie unterstützen Menschen vor allem bei Prozessen und Aufgaben, die sich stetig wiederholen. Dabei ist ebenfalls zu erkennen, dass die KI eine assistierende Rolle einnimmt und ein Eingreifen des Menschen jederzeit möglich ist. Denn in der größten Stärke eines autonomen Systems liegt auch seine größte Schwäche: das System kann, innerhalb eines gewissen Rahmens, unabhängig handeln – und das auf eine für den Menschen oft nur schwer nachvollziehbare Art und Weise. Deswegen ist es wichtig, diese Herausforderungen durch entsprechende Framework-Designansätze von Anfang an bei der Integration von KI-Agenten in Unternehmensprozesse mitzudenken.
Der Schlüssel, um fit für die Zukunft zu werden und dem technologischen Wandel folgen zu können, liegt also in der Überlegung zu einem anderen „Wie“– Wie und wo kann ich menschliche Arbeitsprozesse ergänzen, statt diese bloß zu ersetzen?
Der Schlüssel, um fit für die Zukunft zu werden und dem technologischen Wandel folgen zu können, liegt also in der Überlegung zu einem anderen „Wie“ – Wie und wo kann ich menschliche Arbeitsprozesse ergänzen, statt diese bloß zu ersetzen?
Hier zeigen sich, basierend auf den Erfahrungen zahlreicher innovativer bisheriger Projekte, einige weitere interessante Ansätze, um die Frage nach dem „Wie“ zu adressieren:
- Prozess-Redesign: Zusammen mit PwC und KI-Agenten optimierte ein Einzelhandelsriese seine globalen Lieferketten. KI-Agenten verhandeln unter anderem Verträge mit Zulieferern und treffen Vorhersagen zu bevorstehenden Engpässen.
- Skill-Transformation: Zahlreiche Kund:innen haben durch das von PwC Österreich bereits die nötigen Kompetenzen erworben, um das Thema KI erfolgreich im eigenen Unternehmen angehen und umsetzen zu können und speziell auch den Regulatorien im Rahmen des EU AI Act und den damit verbundenen gesetzten Zeitrahmen gerecht zu werden.
- Hybride Teams: Ein großes Technologieunternehmen mit Millionen von Kunden hat sein Kundenzentrum in Zusammenarbeit mit PwC zu einem KI gesteuerten Kunden-Service-Hub umstrukturiert. KI-Agenten managen Interaktionen über mehrere Kommunikationskanäle hinweg und entlasten Mitarbeiter:innen. Durch adaptive Dialog-Rahmenwerke und Echtzeitanalysen ist es nun möglich, direkt auf den Kunden zugeschnittene Lösungen anzubieten.
- Kontinuierliches Lernen: PwC selbst, als „Client Zero“, investiert seit 2023 nicht nur in namhafte Allianzen mit großen KI-Playern, sondern auch gleichermaßen in großflächige interne Trainings und Qualifikationsmöglichkeiten, um die Mitarbeiter:innen, die Prozesse und somit das gesamte Unternehmen fit für die KI-Zukunft zu machen.
Ein Appell zum Handeln
Unternehmen, die jetzt in KI-Agenten investieren, verschaffen sich einen entscheidenden Vorteil gegenüber denen, die weiterhin zögern. Die Ära der KI-Agenten ist kein Zukunftsszenario – sie hat begonnen. Jede Verzögerung kostet nicht nur Marktanteile, sondern gefährdet die langfristige Überlebensfähigkeit in einer Welt, in der KI-native Startups Unicorns in Rekordzeit hervorbringen. Die Frage ist nicht ob, sondern wie schnell Sie Ihr Unternehmen in das Zeitalter der augmentierten Intelligenz führen.
Hier sind fünf Dinge, die Sie bereits heute umsetzen können:
- Starten Sie mit der Strategie: Führen Sie eine umfassende Analyse durch, um wertgenerierende Einsatzfelder zu identifizieren. Entwickeln Sie eine KI-Strategie, die Kernunternehmensziele neu definiert und AI-native Geschäftsmodelle ermöglicht.
- Gestalten Sie Arbeit neu: Gestalten Sie Wertschöpfungsketten mit hybriden KI-Mensch-Teams und mit der Automatisierung komplexer Workflows neu.
- Transformieren Sie die Belegschaft: Fördern Sie das menschliche Potential Ihres Unternehmens und ermöglichen Sie Ihren Mitarbeiter:innen ein kontinuierliches KI-Upskilling (gemäß EU AI Act).
- Sorgen Sie für die Sicherheit Ihrer Daten: KI-Agenten erfordern oft Zugang zu großen Mengen persönlicher Daten, naturgemäß wirft dies Bedenken hinsichtlich Privatsphäre und Datensicherheit auf. Der potenzielle unbefugte Zugriff und Missbrauch sensibler Informationen erfordert demnach robuste Schutzmaßnahmen und die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen.
- Gehen Sie verantwortungsvoll mit KI um: Fokussieren Sie sich auf Transparenz und Verantwortlichkeit, und lassen Sie diese nicht zu Nebengedanken werden (Stichwort: Responsible AI). Viele KI-Systeme funktionieren als „Black Boxes“ und führen zu Schwierigkeiten im Verstehen, wie Entscheidungen getroffen werden. Dieser Mangel an Transparenz stellt Herausforderungen bei der Zuschreibung von Verantwortlichkeit dar, insbesondere wenn KI-Systeme Fehler machen oder Schaden verursachen.
Fazit
KI-Agenten stehen an der Schwelle, unsere Welt grundlegend zu verändern. Sie bieten enorme Chancen für Effizienzsteigerungen, Innovationen und die Lösung komplexer Probleme in nahezu allen Bereichen unseres Lebens. Gleichzeitig stellen sie uns vor ethische und gesellschaftliche Herausforderungen, die sorgfältig angegangen werden müssen.
Als Führungskräfte und Entscheidungsträger liegt es in Ihrer Verantwortung, die Entwicklung und den Einsatz von KI-Agenten verantwortungsvoll zu gestalten. Wir müssen sicherstellen, dass diese Technologien zum Wohle aller eingesetzt werden, ethische Prinzipien respektieren und potenzielle negative Auswirkungen minimieren. Die Zukunft der KI-Agenten verspricht viel, doch fordert zugleich heraus. Indem wir einen ausgewogenen Ansatz verfolgen, der Innovation fördert und gleichzeitig ethische Überlegungen berücksichtigt, können wir eine Zukunft gestalten, in der KI-Agenten als kraftvolle Werkzeuge den Fortschritt unserer Gesellschaft sicherstellen.
Ihre Kontaktpersonen für den Blogbeitrag
Pascal Biese
Ahmad Haj Mosa
Shirin El-Tohamy