Transformation des Wissensmanagements
Transformation des Wissensmanagements: Vernetzung durch Generative KI
Der 1. April 2025 war nicht nur internationaler Tag des Fakten-Checks. An diesem Tag fand auch eine der bedeutendsten PwC-Konferenzen statt: die „International Tax, Legal and People Academy“ in Prag. Diese beiden Ereignisse bringen auf den Punkt, wie Wissensmanagement bei PwC gelebt, transformiert und innovativ weiterentwickelt wird: Durch die Pflege von gesichertem, geprüftem Faktenwissen: “Trusted Knowledge”.
In unserer Ära des technologischen Wandels ist die digitale Transformation des Wissensmanagements entscheidend, um mit dem Fortschritt Schritt zu halten. Dieser Artikel beleuchtet einige Aspekte dieser Transformation und betrachtet auch, wie menschliches implizites Wissen mit KI-generiertem explizitem Wissen interagiert. Dabei wollen wir auch die innovative Herangehensweise von PwC an das Wissensmanagement mittels Wissensgraphen vorstellen.
Was ist Wissensmanagement?
Wissensmanagement (KM -Knowledgemanagement) umfasst die Gesamtheit der Prozesse zur Erstellung, Verbreitung, Nutzung und Verwaltung des Wissens und der Daten einer Organisation. Auf Unternehmens- und Organisationsbasis bezieht sich Wissensmanagement in der Regel auf eine vieldimensionale Strategie, um Wissen von Mitarbeiter:innen und Unternehmen optimal zur Schaffung von Wert für die Gesellschaft und auch für das Unternehmen selbst zugänglich und nutzbar zu machen. Jegliche Anstrengungen, Tätigkeiten, Maßnahmen, Prozesse und Handlungen, um Informationen, Daten oder Wissen zu erfassen, strukturieren, teilen, analysieren, wiederzuverwenden und zu verbessern fallen in den oft unsichtbaren Bereich des Wissensmanagement eines Unternehmens.
Die Rolle von Generativer KI im Wissensmanagement
Im Zeitalter der Generativen KI (GenAI), in der Halluzination und sich schnell verbreitendes fingiertes, gefälschtes Wissen („Fake News“) Einzug in das Informationszeitalter genommen haben, hat sich auch das Wissensmanagement grundlegend gewandelt. Vertrauenswürdiges, gewissenhaft kuratiertes, zuverlässiges, belegtes und seriöses Wissen – kurz: „Trusted Knowledge“ – ist dabei zum zentralen Treiber von Vertrauen in der Unternehmenswelt geworden.
Die traditionelle Sichtweise, wonach Wissensmanagement lediglich eine unterstützende Funktion erfüllt, sollte überdacht werden. Denn modernes Wissensmanagement bildet das Herzstück jedes innovativen Geschäftsmodells.
Die Zukunft der Organisationsintelligenz gestalten
PwC hat bereits vor Jahren mit einem ganzheitlichen Netzwerk-Wissensmanagement begonnen, welches nun durch GenAI-Technologien eine neue Dimension erreicht hat. Mit einer eigenen Strategiesäule „Knowledge Equation“, ist Wissensmanagement direkt in der Unternehmensidentität verankert worden, sodass innovative Ansätze gefördert und umgesetzt werden können. Mit diesem „Client Zero“ Verständnis möchte PwC anderen Unternehmen ein Beispiel geben, weltweit Wissen über Grenzen hinweg effektiv zu teilen und zugänglich zu machen und dabei schnell und barrierefrei vorgehen.
Datenmenge und automatisierte Vernetzung
Schlüsselelemente bei der Transformation sind dabei Datenmenge, Datenstrukturierung und Vernetzung von Daten. Das exponentielle Datenwachstum erfordert verbesserte, schnellere Entscheidungsfindung und gleichzeitig individuell zugeschnittene Informationen.
Dabei ist jedoch wichtig, dass die bloße Speicherung von Wissen nicht automatisch zu höherer Produktivität führt. Mit dem Ansatz der neuen Technologie von Wissensgraphen (engl. Knowledge Graph) steigern wir die Geschwindigkeit, Konsistenz und Genauigkeit des Wissensabrufs erheblich.
Natürliche Sprachinteraktion und vom User gestellte kontextspezifischen Fragen werden mit enger, automatisierter Vernetzung von unstrukturierter Information kombiniert. Die bisher oft rein zentrale Verwaltung von essenziellem Wissen rückt in den Hintergrund, da essenzielle Wissensquellen, sowohl interne Systeme als auch externe wie beispielsweise öffentliche Webseiten mit Regulatorien oder Wirtschaftsdaten automatisiert von unterschiedlichen Orten enger denn je vernetzt, organisiert, und gespeichert werden können.
Gleichzeitig wird unternehmensspezifisches Wissen durch eine stark Zugriffsrisikominimierende „Schweizer Käse“-Architektur (Multi-Layer Architektur) vor Missbrauch und Unzugänglichkeit von außen bewahrt und somit auch Datenschutzrechtliche Bedenken berücksichtigt.
Wissensspeicherung und -abruf: Die Rolle von Wissensgraphen
Wissensmanagement mit Hilfe von Wissensgraphen führt, wie zuvor erwähnt, zu einer automatisierten engen Verknüpfung von ähnlichen und relevanten Inhalten, ohne davor eine Kategorisierung oder aufgeräumte, organisierte Ordnerstruktur sicherstellen zu müssen.
Anders ausgedrückt: Die Vorstrukturierung der Daten muss durch automatische Kontexterkennung und Kontextbildung nicht mehr zu 100% vorab aufwendig kategorisiert oder gelabelt werden. Verschiedene bestehende datenhaltende Systeme wie beispielsweise Datenbanken, Intranet oder gemeinsame Ordnerbereiche werden so zusammengeführt. Inhaltsvorschauen geben einerseits einen zusammengefassten Einblick. Gleichzeitig führen verlinkende Elemente direkt zur initialen Informationsquelle.
Wissensgraphen und traditionelle Suche
Der Übergang von der traditionellen Suche hin zu Wissensgraphen kennzeichnet dabei auch einen bedeutenden Wandel im Wissensabruf. Die von Wissensgraphen genutzten Beziehungen zwischen Entitäten sind auch als sogenannte GraphRAG -Methode (Retrieval Augmented Generation) bekannt.
Was ist GraphRAG ?
Retrieval Augmented Generation (RAG) ist eine Methode, die häufig eingesetzt wird, um mit einer privaten bzw. domänenspezfischen Datenbasis und der Sprachfähigkeit eines LLMs (Large Language Model) Halluzinationsprobleme von KI-Chatbots zu lösen. Der Chatbot wird dazu angehalten, für Antworten ausschließlich Informationen aus der dahinterliegenden, definierten und abgeschlossenen Wissensbasis zu benutzen. In Kombination mit Wissensgraphen, die verwandte und unverwandte Daten basierend auf ihren Beziehungen speichern und verknüpfen, werden daher mit GraphRAG nun Daten in einer neuen Art von Datenbank angeordnet und gespeichert. Daten werden dabei durch die Verwendung von GenAI automatisiert verknüpft. So entstehen Knotenpunkte, die wir Menschen inhaltlich als Kategorisierung wahrnehmen. Visualisiert dargestellt mutet es wie ein chaotisch angeordnetes Spinnennetz an, oder wie eine allgemeine Darstellung der Verknüpfungen unserer Neuronen und Synapsen im Gehirn.
Ein Beispiel dafür ist der in kürzlich in der “Digital Factory” von PwC Österreich entwickelte Knowledge Source Explorer. Der Knowledge Source Explorer speichert intern auf diese innovative Art Wissen und verknüpft dabei aktuell rasch wachsende Datenmengen zu Themen wie Steuer, Recht und ESG aus dem globalen PwC Netzwerk. Die Technologie ist mit einer Chat Benutzeroberfläche verknüpft und schnell per Unternehmenslogin (Single Sign On – SSO) weltweit zugänglich.
Datenschutz und Ethik: Verantwortungsvolle KI
Aus rein technologischer Sicht und aus der singulären Perspektive des Wissensmanagements wäre es theoretisch möglich, relevantes Wissen aus allen zugänglichen Datenquellen zu extrahieren. Dadurch rücken Datenschutz und ethische Überlegungen umso stärker in den Fokus. Verantwortungsvolle KI Architekturen, die Vermeidung von Verzerrungen sowie die Sicherheit von Daten und Modellen, einschließlich der Durchführung von Model Audits, sind von großer Bedeutung, um private und sensible Daten zu schützen. Das erfordert robuste Rahmenbedingungen und eine gründliche Prüfung, um wertvolles Wissen („Hot Knowledge“) von weniger für das innovative Funktionieren des Unternehmens („Cold Knowledge“) beitragende Wissen zu unterscheiden. Neue Technologien motivieren daher auch zum “Frühjahrsputz” von Unternehmenswissen für die Zukunft. Der menschliche Aspekt darf somit auch bei diesem neuen Ansatz nicht übersehen werden.
Integration von menschlichem und KI-generiertem Wissen
Ein entscheidender Aspekt des modernen Wissensmanagements ist demnach die Integration menschlichen Wissens mit KI-unterstützter Speicherung und Wiedergabe von Erkenntnissen. Während KI bei der Analyse expliziter Informationen herausragend ist, bleibt menschliche Expertise unverzichtbar für die Interpretation und Entscheidungsfindung. Organisationen sollten daher ein kollaboratives Umfeld schaffen, in dem beides unterstützt und genutzt werden kann. Motivation und Schulung über die Funktionsweise von Neuerungen sind entscheidende Faktoren für den Erfolg der praktischen Umsetzung.
Fazit
Mit dem Aufkommen von GenAI hielten auch Halluzinationen Einzug in alle Branchen. „Trusted Knowledge“ und damit das Wissensmanagement wurde mit einem Schlag zu einem der Schlüsseltreiber für Erfolg für die nächsten Jahre. Durch den Einsatz von Wissensgraphen in Kombination mit Generativer KI wird bisherige Wissensbereitstellung, und damit verbunden Vernetzung und Abruf von Wissen neu definiert.
Der derzeitige Übergang von der traditionellen Suche zu Wissensgraphen, welche über eine benutzerfreundliche Oberfläche abrufbar gemacht werden, markiert dabei einen bedeutenden Wandel des Zugangs zu Information. Im Gegensatz zu herkömmlichen Suchmaschinen, die auf Schlüsselwortabgleich (Semantik Search) und der Bereitstellung voluminöser Suchergebnisanzeigen basiert, nutzen Wissensgraphen Beziehungen zwischen Entitäten, um genauere und relevantere Ergebnisse zu liefern.
Informationsabruf wird effizienter und ermöglicht es Organisationen, nahtlos auf miteinander verbundene Erkenntnisse zuzugreifen. So können wir eine Zukunft gestalten, in der Wissen nicht nur reichlich vorhanden, sondern auch einfach zugänglich, anwendbar, effizient vernetzt und gleichzeitig unternehmensspezifisch ist.
Kuratiertes, vertrauenswürdiges Wissen – Trusted Knowledge – ist dabei mehr denn je ein Schlüssel zur Wertschöpfung für Unternehmen.
Autoren:
Iris Vonderhaid
Taylan Öztürk
Nicolas Robert Nemeth