Einfluss der Pandemie auf die Marktforschung?

Wie in vielen Bereichen der Wirtschaft hat die Pandemie vor allem dafür gesorgt, dass Projekte verschoben oder teilweise sogar gestrichen wurden bzw. es zu Budgetreduktionen gekommen ist. Auch in der Marktforschung konnte das immer wieder betrachtet werden. Ein häufiger Grund ist die Tatsache, dass die Pandemie dazu geführt hat, dass Studienergebnisse große Abweichungen zu den Daten vor der Pandemie aufweisen, wodurch eine Vergleichbarkeit (insbesondere bei jahrelangen Datenreihen) schwierig wird. Neben Umsatzeinbußen von 32 Prozent am europäischen Markt werden laut der European Society for Opinion and Market Research (ESOMAR) auch klare Umbrüche im Arbeitsalltag erwartet.

Nichtsdestotrotz dreht sich die Forschungswelt weiter, es existieren auch weiterhin viele Methoden bzw. rücken neue Methoden in den Vordergrund, um auch während bzw. nach der Pandemie zielführend forschen zu können.

 

And the winner is online, aber mit Einschränkungen:

Grundsätzlich haben Marktforschungsmethoden, die online bzw. remote durchgeführt werden an Zuspruch gewonnen, sowohl bei quantitativen als auch bei qualitativen Studien. Durch die vermehrte Nutzung von Videokonferenzanbietern, wie Zoom, MS Teams, etc. sind Online-Methoden auch in der qualitativen Forschung eine gute Alternative, um beispielsweise Einzelinterviews, aber auch Fokusgruppen durchzuführen.

Andere qualitative Studien vor Ort, Face-to-Face Befragungen, Mystery Shopping oder Studien, bei denen ein bestimmtes Equipment hergezeigt wird oder Produkte live getestet werden sollen, werden aktuell weniger häufig durchgeführt. 

Teilnehmerbereitschaft und Erreichbarkeit

Bezüglich der Bereitschaft der Teilnehmer:innen an Online-Studien zeigt sich ein positiver Effekt seit Pandemiebeginn, der bis heute anhält. Der große Vorteil ist, dass Proband:innen zeitlich deutlich besser erreichbar, aber auch bereitwilliger sind an Studien teilzunehmen und kurzfristige Absagen deutlich zurückgegangen sind. Vor allem in den ersten Monaten der Pandemie, aber auch in den Wintermonaten, in denen harte Lockdowns ausgerufen wurden und das soziale Leben deutlich eingeschränkt war, suchten Menschen nach Konversationen bzw. Interaktionen, wodurch es leichter war, Personen beispielsweise für eine Fokusgruppe zu rekrutieren. 

Die zielgruppenspezifische Rekrutierung von Teilnehmer:innen für eine Studie wird auch künftig einfacher sein, insbesondere wenn diese online stattfindet. Die Herausforderung spezielle Zielgruppen oder Personen aus bestimmten Bundesländern / Regionen zu rekrutieren wird dadurch deutlich einfacher, schneller und kosteneffizienter, da es dafür nicht mehr 2-3 Standorte braucht.

Größere Anonymisierung und gleiche Aufmerksamkeit

Respondent:innen kommen in einem Offline-Setting durchaus in Situationen, in denen Sie sich bei bestimmten Themen unbehaglich fühlen, wodurch deren Antwortverhalten beeinflusst werden kann.  Ein weiterer Vorteil besteht in der Technik: Im Regelfall sind alle Teilnehmer:innen in einem gleich großen digitalen Fenster zu sehen, wodurch eine gleich große Aufmerksamkeit für jede/n Teilnehmer:in signalisiert wird. Dadurch ist es auch möglich seitens der Interviewer:innen das mühsame „Einander-ins-Wort-fallen“ zu reduzieren, aber auch Alphatiere zu kontrollieren und schüchterne Personen bestmöglich in die Gespräche zu involvieren.

Werden klassische Offline-Marktforschungsmethoden ersetzt?

Trotz der starken Zunahme an online durchgeführten Studien werden Offline-Methoden nicht ersetzt werden können. Denn der immense Vorteil, insbesondere in der qualitativen Forschung ist der unmittelbare Kontakt zu Studienteilnehmer:innen. Wie jeder von uns im Privatleben miterlebt hat, können Zoom Gespräche oder ein Familien- Brunch am Wochenende via Skype Spaß machen, ersetzen aber niemals eine echte Begegnung. 

Erst eine physische Begegnung erlaubt es uns, andere Person mit allen Sinnen wahrnehmen zu können, wie Stimme, Geruch, Gestik, Ausstrahlung oder nonverbale Kommunikation. Das vollständige Bild einer Face-to-Face Befragung gestattet Forscher:innen, ein besseres Gefühl für Teilnehmer:innen und deren Aussagen zu entwickeln. Ein weiterer Vorteil der Offline-Forschung ist, kontrollierte Bedingungen bzw. Standardisierung herzustellen, welche online deutlich schwerer möglich sind. Online kann nur bedingt mitbestimmt werden, unter welchen Bedingungen das Gespräch oder die Diskussion geführt wird.

Datenvalidität während der Pandemie

Eine berechtigte Frage ist natürlich, ob Daten während einer solchen Pandemie valide sind. Bei der Validität der Daten muss darauf geachtet werden, welches Thema bzw. welcher Bereich erforscht werden soll. Spezielle Themen, die in einem direkten Zusammenhang zur Krise stehen (z.B. Einkaufsverhalten, Tourismus, Mediennutzungsverhalten) sind anfälliger für Verzerrungen. Nichtsdestotrotz wollen Menschen gerne auch über andere als nur krisenbezogene Themen sprechen und lassen sich daher gerne auf Interviews ein, wenn diese professionell, kompetent und mit dem notwendigen Maß an Empathie geführt werden.

Fazit – Die Zukunft ist hybrid

Es zeigt sich, dass bestimmte methodische Aspekte existieren, die sich in einem Online-Setting besonders gut abbilden lassen und künftig häufiger genutzt werden. Insbesondere das Rekrutieren von Studienteilnehmer:innen, dass je nach Forschungsziel bzw. bei der Auswahl spezifischer Zielgruppen schwierig bzw. kostspielig sein kann, wird durch Online-Methoden deutlich erleichtert.

 „Offline wäre tot und online ist der zukünftige heilige Gral der Forschung“ ist trotzdem nicht richtig. Auch wenn bestimmte Offline-Methoden aktuell weniger genutzt werden bzw. schwieriger zu nutzen sind (z.B. Vorort-Befragungen, Produkttestungen), zeigt sich trotzdem, wie wichtig diese Art der Forschung ist. Jeder Forschungsansatz hat seine Vorteile, aber auch seine Limitation. Wichtig ist, die Vorteile beider Forschungsmethoden zu nutzen (je nach Forschungsziel), um bestmögliche Studienergebnisse zu erzielen.  


 Autor: Markus Kittenberger
PwC Digital Consulting

Quellen: