Warum viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, Nachhaltigkeit in die Customer Journey zu integrieren
Heutzutage möchten die meisten Kunden umweltbewusste Entscheidungen treffen und nachhaltig agieren. Sie erwarten daher von Unternehmen, dass ihnen dabei geholfen wird, ihre Erwartungen zu erfüllen. Customer-Experience-Teams spielen deswegen eine entscheidende Rolle. Ihre Aufgabe ist es, die für Kunden entscheidenden “Nachhaltigkeitsmomente” hervorzuheben. Nachhaltigkeit muss entlang der Customer Journey greifbar werden, indem sie in verschiedenen Phasen des Kundenlebenszyklus aktiviert wird, um die Kunden so zu einem umweltfreundlichen Verhalten zu bewegen.
Dabei sollte sichergestellt werden, dass die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens fest in der Customer Journey verankert sind. Allerdings verpassen viele Unternehmen die Chance, Nachhaltigkeit durch greifbare, zielorientierte Kundenerlebnisse zu aktivieren. Oftmals scheitern sie dabei an folgenden Gründen:
Es gelingt nicht, Nachhaltigkeit zu realisieren. In Ländern wie Frankreich und Italien erklären immer mehr Organisationen ihren übergeordneten Zweck und nehmen einen neuen rechtlichen Status an, der ihren ökologischen oder sozialen Auftrag widerspiegelt. Weltweit haben mehr als 3.000 Unternehmen wissenschaftlich fundierte Ziele für die Verringerung der Kohlenstoffemissionen. Allerdings setzt nur eine Minderheit der Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsvision in pragmatische, reale Kundenerfahrungen um. Das Ergebnis: Die Kundenerfahrungen sind nicht eindeutig, Markenversprechen bleiben unerfüllt, das Vertrauen in die Marke wird geschwächt und das Risiko von Greenwashing steigt.
Best-Practice-Beispiel: Marion Sanchez, CMO und CX-Leiterin bei Oney: „Jetzt, da wir klar definiert haben, wie wir Nachhaltigkeit in unserer Zielsetzung einsetzen und wie sie sich auf unsere Markenplattform auswirkt, sind wir in einem Stadium, in dem wir greifbare und pragmatische Anhaltspunkte identifizieren, um unser Markenversprechen – “The power of choice” – in der UX sowie in allen Interaktionen mit Kunden entlang der Customer Journey zu aktivieren.“
Verfolgung eines oberflächlichen Ansatzes bei der Einbindung von Nachhaltigkeit in die Customer Journey. Nachhaltigkeitsinitiativen wie das Pflanzen von Bäumen zum Ausgleich von CO₂-Emissionen sind ein guter Anfang, aber Kunden verlangen einen solideren und echten Ansatz für Nachhaltigkeit. Um Vertrauen zu schaffen, bestärken smarte Unternehmen das Engagement ihrer Marke für Nachhaltigkeit immer wieder, indem sie es konsistent über mehrere Interaktionen und Erlebnisse hinweg umsetzen.
Best-Practice-Beispiel: Die Schuh- und Bekleidungsmarke Aigle kommt ihrer Mission nach – „jedem die Möglichkeit zu geben, die Natur in vollem Umfang zu erleben, ohne etwas anderes als seinen eigenen Fußabdruck zu hinterlassen“ -, indem sie das Thema in die Customer Journey integriert: Kunden können Produkte finden, die auf Langlebigkeit ausgelegt sind, von den Tipps von Aigle profitieren, wie sie ihre Ausrüstung haltbar machen können, und gebrauchte Aigle-Bekleidung über das “Second Wind-Programm” kaufen und verkaufen.
Unternehmen verfehlen das Ziel, weil sie die Hindernisse für nachhaltiges Handeln nicht beseitigen. Es gibt fünf Barrieren, die Kunden davon abhalten, umweltfreundlich einzukaufen: Preis, Komfort, Leistung, Wissen und Vertrauen. Um diese Barrieren zu identifizieren und zu überwinden, müssen CX-Fachteams die Absicht, den Kontext und die Emotionen der Kunden verstehen. Laut Dayoan Daumont, Leiter der CX-Strategie-Innovation für EMEA bei Ogilvy, ist die entscheidende Frage, wie sehr die Marke die Customer Journey verändern will, um nachhaltige Momente zu schaffen.
Best-Practice-Beispiel: Die mobile App von Yuka schließt die Wissenslücke, indem sie es den Kunden ermöglicht, Barcodes von Lebensmitteln und Körperpflegeprodukten zu scannen, um Nährwert- und Qualitätsinformationen zu erhalten. Levi Strauss & Co. reduziert die Preisbarriere, indem sie Nachhaltigkeit als Geldwert darstellen und Kunden, die beschädigte oder ungewollte Kleidung zurückbringen, Rabatte gewähren.
Der folgende fünfstufige Prozess kann dabei helfen, die Hürden für einen umweltfreundlichen Einkauf zu senken, um so die Kunden zu unterstützen, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen:
Das Bedürfnis der Kunden nach Nachhaltigkeit verstehen. Welche sogenannten “Grüntöne” haben die Kunden? Welche Verhaltensweisen, Einstellungen und Erwartungen haben sie in Bezug auf Nachhaltigkeit? Welcher Kunde ist auf welchem Weg? Ist er eher ein “supergrüner” Kunde, der sich um den Klimawandel sorgt, oder ein Kunde, dem der Klimawandel wichtig ist, der aber eher auf Bequemlichkeit Wert legt? Um das herauszufinden, müssen qualitative Daten (z. B. kontextbezogene Interviews) mit quantitativen Daten (z. B. Umfragen) kombiniert werden, um Nachhaltigkeits-Archetypen oder Personas zu erstellen.
Durchführung intensiverer Untersuchungen, um die Diskrepanz zwischen Einstellung und Verhalten in Sachen Nachhaltigkeit zu schließen. Was wir sagen und was wir tun, stimmt nicht immer überein. Zalando hat zum Beispiel herausgefunden, dass 60 % der Kunden Transparenz für wichtig halten, jedoch nur 20 % aktiv nach Nachhaltigkeitsinformationen im Rahmen des Kaufprozesses suchen. Durch das Hinzufügen von Nachhaltigkeitsfiltern auf der Zalando-Website können die Kunden Produkte nach Werten wie Tierschutz, Wiederverwendung von Materialien und Wassereinsparung durchsuchen. Mit Hilfe ethnographischer Forschung können CX-Profis die Kunden dabei unterstützen, ihre Emotionen auszudrücken, die sie nicht direkt in Worte fassen können. Darüber hinaus muss getestet und iteriert werden, um tiefere bewusste und unbewusste Verhaltensweisen zu verstehen. Die Erhebung von Metaphern hilft dabei, unbewusste emotionale Bedürfnisse zu entschlüsseln, während die Beobachtung nonverbaler Hinweise bei Kundeninterviews, Feldstudien und Usability-Tests Aufschluss über die Gefühle der Menschen geben kann.
Momente entlang der Customer Journey identifizieren, in denen Nachhaltigkeit am wichtigsten ist. Die Emotionskurve einer Customer Journey besteht aus Momenten, die Erinnerungen schaffen und Emotionen auslösen. Mithilfe bestehender Journey Maps können Thesen entwickelt werden, in welchen Momenten eine Optimierung der Nachhaltigkeit vorgenommen werden kann, z. B. bei Produktinformationen, Produktvergleichen, Verpackungs- und Recyclingoptionen, Preisangaben und Versandoptionen. TSN Groen gibt seinen Kunden beispielsweise bei der Festlegung des Liefertermins die Möglichkeit, einen Aufpreis dafür zu zahlen, dass der Fahrer die Ware direkt vor Ort auspackt und die Verpackung für das Recycling entsorgt. Als SAP für eine weltweit tätige Fluggesellschaft die Journey eines Kunden in puncto Nachhaltigkeit skizzierte, stellte das Unternehmen fest, dass ein Prozess fehlte, der die Suche nach einem nachhaltigen Urlaubserlebnis unterstützt.
Ein breites Spektrum an Emotionen gestalten, das nachhaltige Entscheidungen beeinflusst. Wenn Kunden nicht in der Lage sind, ihren Bemühungen hinsichtlich Nachhaltigkeit gerecht zu werden, entsteht eine kognitive Dissonanz – eine unangenehme psychologische Spannung, die Unbehagen, Unwohlsein, Angst und Schuldgefühle auslösen kann. CX-Profis sollten nach Lösungen suchen, um diese Emotionen zu vermeiden, indem sie Emotionen wie Vertrauen, Verständnis, Respekt und Wertschätzung fördern. Den Kunden muss geholfen werden, sich an Gefühle des Stolzes zu erinnern, die mit einem vergangenen nachhaltigkeitsbezogenen Verhalten verbunden sind, um nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
Integration nachhaltiger Wahlmöglichkeiten und Optionen im gesamten Kundenlebenszyklus. Unternehmen sollten Nachhaltigkeit über mehrere Wege und Interaktionen hinweg konsistent umsetzen – manche parallel, manche nacheinander. Makro- und Mikro-Journeys bieten die Möglichkeit, Nachhaltigkeit für Kunden in jeder Phase des Kundenlebenszyklus erlebbar zu machen. Ganz gleich, ob ein Kunde eine Bestellung aufgibt, ein Produkt zu Hause auspackt oder ein Produkt zurückgibt, Nachhaltigkeit ist immer präsent und greifbar, um Vertrauen aufzubauen.
Den Beitrag der Nachhaltigkeit während des gesamten Kundenlebenszyklus messen und dokumentieren. CX-Fachteams müssen mit ihren Kolleg:innen aus dem Bereich Nachhaltigkeit zusammenarbeiten, um die tatsächlichen Auswirkungen dieser Aktivitäten zu erfassen: Wie stark haben sich die CO2-Emissionen reduziert? Wie viel Wasser und Abfall wurde in der Wertschöpfungskette reduziert? Wie wurde dazu beigetragen, die Artenvielfalt zu verbessern und die Haltbarkeit der Produkte zu erhöhen? Solange Unternehmen nicht in der Lage sind, die Wirksamkeit Ihrer Maßnahmen nachzuvollziehen und darüber zu berichten, handelt es sich lediglich um „grünes Theater“. Wenn Unternehmen den Konsument:innen über diese Maßnahmen berichten, erzeugen sie positive Emotionen; wenn sie innerhalb des Unternehmens darüber berichten, tragen sie zur Erreichung wissenschaftlich fundierter Ziele bei.
Es zeigt sich somit, dass Unternehmen sicherstellen müssen, dass Nachhaltigkeit mehr als nur Worte und gute Absichten ist, indem sie ihre Nachhaltigkeitsziele in die Customer Journey integrieren. Wenn sie es schaffen, ihren Kunden auf eine einfache Art und Weise die Möglichkeit zu geben, dem Wunsch nach einem nachhaltigen Verhalten nachzukommen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihre Kunden von der positiven Erfahrung berichten und dem Unternehmen treu bleiben.
Autor: Jonas Stahlhut
Quellen: